Udos Welt

Folge 15: Schlammcatchen

Bei allem Training durften wir die Organisation des Wilsdorfer Volkscross natürlich nicht aus den Augen verlieren. Was es da zu planen gab! Nehmen wir zum Beispiel die Trinkbecher. Der Läufer schwitzt, der Läufer muss trinken: während der Anstrengung, danach und davor auch. Klar. Aber jetzt: wie viele Becher, wie groß, wie bunt, wie schwer, mit Sponsorenaufdruck oder ohne? Wer besorgt sie, wer sammelt sie ein, wer teilt sie aus?

 

"Können wir nicht einfach ein paar Kasten Kölsch in den Zielbereich stellen?", schlug ich vor, in Gedanken schon beim nächsten Punkt. "Der durchschnittliche Hobbysportler …"

"Das will ich nicht gehört haben", unterbrach mich Arno, und seinem Blick nach zu urteilen hatte ich soeben gegen eines der zehn heiligen Läufergebote verstoßen.

 

Also Becher. Aber was für welche?

"Mehrwegbecher", meinte Julia. "Heutzutage ein Muss."

"Unsinn", winkte Arno ab.

"Na, und ob! Wegen der Umwelt."

"Ich bin gegen Atomkraftwerke, aber mit einer Handvoll Mehrwegbecher retten wir diese Erde auch nicht mehr."

Julia verschränkte die Arme vor der Brust. "Ihr könnt doch keinen Waldlauf veranstalten, bei dem der Wald mit Plastik vollgemüllt wird!"

"Als Läufer habe ich schon so viele Ökobonuspunkte gesammelt, da kann ich müllen, wie ich will", entgegnete Arno und schaute echt schwarzeneggermäßig.

"Wir könnten ja ‚Atomkraft nein danke' auf die Becher drucken", versuchte ich es mit einem Kompromissvorschlag, der ungefähr so viel Gehör fand wie eine UNO-Resolution zum Nahen Osten.

Das Becherproblem wurde vertagt. Stattdessen widmeten wir uns dem Zeitnahme-, dem Startnummern- und dem Kuchenbuffetproblem. Als all diese Schwierigkeiten mehr oder weniger aus dem Weg geräumt waren, meldete sich Moni.

"Wo kann man eigentlich duschen?", wollte sie wissen.

"Verdammt, die Duschen!", rief ich bestürzt. Daran hatten wir überhaupt nicht gedacht!

"Welche Duschen?", knurrte Arno.

"Diese Dinger mit den Löchern drin, aus denen Wasser tropft", erklärte Moni. "Man nennt sie Duschen."

"Welcher Läufer braucht das?"

"Läufer vielleicht nicht, aber Läuferinnen. Am Ende kommt mein Foto noch in die Zeitung, und dann stehe ich mit fettigen Haaren rum."

 

Ganz klar, Moni war auf Krawall aus. Aber da war sie bei Arno an den richtigen geraten. "Dann bleib halt zuhause!", schrie er und lief hinter seinem Schnurrbart violett an. "Der Volkscross ist doch kein Schönheitswettbewerb! Da wird Dreck gefressen, verstehst du? Ohne ordentliche Schlammkruste im Gesicht brauchst du bei der Siegerehrung gar nicht erst anzutanzen!"

"Ach, deshalb habt ihr den Lauf in den Oktober verlegt", giftete Moni zurück. "Ihr wollt uns beim Schlammcatchen zugucken!"

 

"Nur die Ruhe", beschwichtigte ich. "Wir finden eine Lösung."

"Ein Wasserschlauch überm Zaun", blaffte Arno. "Mein letztes Wort!"

"Im Oktober?", fragte Julia und schüttelte sich.

Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie besser aussähe: geduscht und geföhnt, mit blitzsauberem Siegerlächeln, oder dreckverschmiert, nasses Farnkraut über der Stirn. Egal, Julia war immer schön.

"Wenn es keine Duschen gibt", sagte Moni, "werden maximal drei Frauen am Volkscross teilnehmen. Die haben dann einen Oberlippenbart und stinken wie ein Keiler nach dem Gewitter."

 

Das gab den Ausschlag. "Sie hat recht", meinte ich. "Wir nehmen die Duschen im Feuerwehrgerätehaus. Für die ganz Harten legen wir einen Kaltwasserschlauch nach draußen."

Was Arno darauf in seinen Schnurrbart murmelte, war beim besten Willen nicht zu verstehen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das Wort "Eiswürfel" dabei war.

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