Udos Welt

Folge 11: Burger auf Beinen

"Sag mal, bist du wahnsinnig?", brüllte ich Arno an. "Wie kannst du mich so bloßstellen? Mit einer 32er Zeit!"

"Ist sie dir zu langsam?"

"Nein, du Idiot! Das glaubt mir doch kein Mensch, dass ich mal so schnell war!"

"Warum nicht? Ist schließlich 15 Jahre her. Außerdem wolltest du doch, dass ich ein bisschen schummele."

"Ein bisschen, ja! Deswegen solltest du aber keine Bestenlisten fälschen!"

"Fälschen? Wer sagt hier was von fälschen? Die ist echt, die Liste."

"Echt?" Ich schnappte nach Luft.

"Polizeibehördlich geprüft", grinste Arno. Also, ein echtes Grinsen war es nicht, sondern bloß so ein kurzes Zucken der Mundwinkel. Dieses asketische Läuferlächeln, das den Kohlenhydratstoffwechsel nicht über Gebühr belastet. "Es gab mal einen Namensvetter von dir", erläuterte er. "Einen gewissen Ulrich Pönzgen, an den habe ich mich erinnert. Nicht unbegabt als Jugendlicher, bevor er auf Triathlon umstieg. Ging zum Studium in die USA und ist jetzt wahrscheinlich ein Burger auf Beinen."

"Ach, und deshalb dachtest du, das passt?"

Achselzucken.

"Mensch, Arno!", stöhnte ich. "Was hast du mir da eingebrockt! Die Mädels bekommen ein völlig falsches Bild von mir."

"Aber ein gutes."

"Und jetzt wollen sie auch noch, dass ich sie trainiere!"

"Sie werden dir die Füße küssen." Er legte mir einen Arm um die Schulter. "Hör zu, mein Junge, du wolltest doch mehr Nähe zu der Kleinen. Jetzt hast du sie. Ein paar Trainingsstunden geben kann jeder. Du besorgst dir ein Klemmbrett, um die Rundenzeiten zu notieren, steckst dir eine Trillerpfeife in den Mund - fertig. Meinst du, die beim DLV können mehr? Die nötigen Sprüche liest du dir an, für den Rest sorge ich."

"Welchen Rest?", fragte ich argwöhnisch.

"Wenn deine Freundin … wie heißt sie noch, die Kleine?"

"Julia. Aber sie ist nicht meine …"

"Genau. Die hat Potenzial, deine Julia. Aus der lässt sich etwas machen. Was sie braucht, ist jemand, zu dem sie aufschaut. Der ihr die Richtung vorgibt. Einen wie dich, Udo."

"Aber ich kann nur eine Richtung vorgeben", rief ich verzweifelt. "Auf der Waage, Zeiger nach rechts!"

"Unsinn! Es geht um den inneren Wegweiser, die Kompassnadel fürs Leben. Und da bist du der geeignete Mann. Hast du nicht gesehen, wie sie dich anhimmelt?"

"Hör auf! Nur weil sie glaubt, ich sei einmal unter 33 Minuten gelaufen."

"Das sind viele. Aber wer von denen wiegt schon zwei Zentner?"

"Die wiege ich erst nach einer Diät."

"Und genau das ist der Punkt. Wenn die Kleine dich anschaut, spürt sie, dass sie mit dir das Unmögliche erreichen kann. Weil du selbst das Unmögliche verkörperst. Und deshalb wird sie alles tun, was du ihr sagst - als Trainer, meine ich." Er nahm den Arm von meiner Schulter. "Unter einer Voraussetzung."

 

"Kommt jetzt der Rest, von dem du vorhin gesprochen hast?"

"Ein bisschen was vorturnen musst du ihr schon. Und damit meine ich keine Kniebeugen, mein Junge."

"Sondern?"

"Laufen. Ein paar Runden auf der Bahn, später den Volkscross. So wie früher, in deinen guten Zeiten."

"Ich hatte keine guten Zeiten", stöhnte ich. "Verstehst du, Arno, ich war schon immer ein hochtalentierter Unsportler."

"Dann wird es höchste Zeit." Jetzt grinste er über das ganze Gesicht. "Morgen früh fangen wir an.

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