Eine fortwährende Diskussion mit durchaus interessanten Aspekten. Bedenkenswert, ob Nationalfahnen, Hymnen und Medaillenspiegel nicht verbannt sein sollten? Nun, Politisches findet im Sport selbstverständlich statt. Sportler müssen boykottieren oder werden ausgeschlossen, sie müssen sich mannschaftsdienlich sogar vorgegebenem Verhalten und Meinungen unterwerfen. Doch sollen sie nicht auch ihre eigene kundtun? Dr.-Ing. Markus Heidl kratzt im 62. Pro & Kontra am vielschichtigen Thema.

Walter Wagner, 26.11.2022

Kann Sport nicht
politisch sein?

von Markus Heidl 

Ich erinnere mich noch gut an die diesjährigen deutschen Hallenmeisterschaften. Der Krieg, den Russland gegen die Ukraine begonnen hatte, schwebte unheilvoll über den Titelkämpfen. Thematisiert wurden die Gräueltaten zunächst aber nicht. Als Begründung heißt es immer, der Sport müsse neutral sein. Diese diplomatische Bescheidenheit will im Grunde aber nur unangenehme Sachverhalte verschweigen. Maximilian Thorwirth sah das genauso. Die mediale Präsenz, die er während seines Laufs hatte, nutzte er, um wortwörtlich Flagge zu zeigen. Er riskierte dabei mehr als nur eine gelbe Karte.

Derzeit geht es auf einem anderen Erdteil um eine andere Art der Verletzung von Menschenrechten. Einmal mehr geht es um die Neutralität des Sports. Diese Frage ist aus meiner Sicht absurd, hat doch jede öffentliche Handlung auch eine politische Interpretation. Natürlich wird sowohl der Profi- als auch der Breitensport durch die Gesellschaft gefördert, er darf sich dadurch nicht politisch instrumentieren lassen. Menschenrechte sind aber nicht verhandelbar. Und Korruption widerspricht jeder Moral, die insbesondere bei Sportlerinnen und Sportlern höher aufgehängt sein sollte als von dem und der Normalbürger*in.

Der Profisport wird ad absurdum geführt, wenn die Vorbildfunktion nicht mehr wahrgenommen wird. Der Sport kann und soll Tugenden vorleben sowie Werte vermitteln. Während der gesunden Bewegung wird Integration, Gleichheit und Gemeinsamkeit gelebt. Der Sport will Menschen und Völker zusammenbringen. Dafür muss die zugrundeliegende Ethik im Mittelpunkt bleiben, nicht der nationale Größenwahn oder die globale Geldmaschinerie. Wenn die Kehrseite des Profisports mit der Geldgier und der Geltungssucht überwiegt, sollten wir ihn abschaffen.

Jeder Sportverband, sei es IOC, FIFA oder Regionalverband, muss Doping, Korruption und andere menschenverachtende Missstände in den Griff bekommen. Neben den Menschenrechten sollte beispielsweise auch der Umweltschutz als Auswahlkriterium für die Vergabe der Austragungsorte von Wettkämpfen ausschlaggebend sein. Skandale können dann umgekehrt zurück in die Politik reichen, wenn die Verbände Unterstützung durch die Staatsgewalten Exekutive, Judikative und Legislative benötigen. Mit einer starken und klar kommunizierten Haltung muss es dazu aber eigentlich nicht kommen.

Nur scheint diese Grenze schon lange überschritten. Es ist höchste Zeit, dass wir als Sportlerinnen und Sportler uns unserer Vorbildfunktion bewusstwerden und Haltung zeigen. Kein Traum kann größer sein als unsere Moral. Und am Ende sind wir diejenigen, die unsere Verbände prägen und ausmachen.

Beitrag von Markus Heidl
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