Die sinkende Teilnahmebereitschaft treibt den von enormen Kostensteigerungen gebeutelten Veranstaltern Sorgenfalten auf die Stirn. Was von der Corona-Pandemie ausgelöst wurde, sich nun im Ukraine-Konflikt fortsetzt, die Klimakrise verschlimmert und Energie- und sonstige Preise explodieren lässt, beschäftigt zunehmend alle Läuferinnen und Läufer - und eben auch Dr.-Ing. Markus Heidl im 61. Pro & Kontra.

Walter Wagner, 28.09.2022

Dann laufe ich halt nicht

von Markus Heidl 

Zuletzt häufen sich die Klagen über wenig Publikum. Leere Hallen vor Bühnen aller Art, kleine Felder bei oder gar Absagen von Läufen. Zählt man Laufen als Kulturveranstaltung - schließlich kommen hier Menschen zusammen, Geist und Körper werden gefördert - muss man einmal mehr feststellen, dass sich unsere Welt gewandelt hat, seit sich Ende 2019 ein Virus über den kompletten Globus verteilte.

Denn COVID hat uns nicht nur sehr eingeschränkt, es hat uns ebenfalls gezeigt, was wichtig ist. Zumindest hat es uns gewahr werden lassen, was uns persönlich wichtig ist. Infolgedessen könnte man argumentieren, dass vielen von uns schlicht die Lust vergangen ist, zu x-beliebigen Ereignissen zu pilgern. Darum sollte sich, wer sich über zu wenig Besuch beschwert, zuerst an die eigene Nase greifen: was macht meine Veranstaltung besonders? Warum sollten Menschen - also sowohl Laufende, als auch Fans des Schauspiels oder der Musik - zu mir kommen? Warum lohnt sich der zeitliche Aufwand und warum ist es meine Veranstaltung wert, auch noch Geld dafür zu bezahlen?

So war just an diesem Wochenende der Berlin-Marathon wieder einmal die Ausnahme der vermeintlich aktuellen Regel der sinkenden Teilnehmerzahlen. In diesem Fall können aber vermutlich alle gestellten Fragen kinderleicht beantwortet werden. Mögliche Antworten könnten sein: Hauptstadt, Bombenstimmung, schnelle Strecke, Weltrekord oder einfach nur Eliud.

Darüber hinaus ist es mir persönlich ein starkes Anliegen geworden, klimaneutral anreisen zu können. Am liebsten laufe ich zum Start oder spaziere zur Veranstaltungshalle. Auch das Fahrrad ist eine gute Option. Mit dem ÖPNV kommt es auf die Verbindung an. Wenn ich aber auf das Auto angewiesen bin, gebe ich mittlerweile der besser zu erreichenden Alternative den Vorrang. Oder ich starte eben einfach nicht und laufe daheim.

Schließlich sollte noch ein weiterer Punkt bedacht werden, auch wenn das Thema auf wenig Gegenliebe stößt: nach wie vor schließen wir vulnerable Gruppen von Veranstaltungen aus. Wer es sich nicht erlauben kann, zu erkranken oder die Infektion mit nach Hause zu bringen, wird zum Vergnügen kein Risiko eingehen. Als Freiluftveranstaltung ist die Gefahr einer Ansteckung selbstredend deutlich geringer als bei Kultur in geschlossenen Räumen, dennoch wäre es eine Überlegung wert, nicht sämtliche Maßnahmen von vornherein abzulehnen. Bei Laufveranstaltungen könnten wir es aus gegenseitiger Rücksichtnahme wieder einführen, beispielsweise bei der Startnummernabholung und im dicht gedrängten Startblock Masken zu tragen. Wir würden die Zusammenkünfte damit nicht nur für Gefährdete sicherer machen, sondern auch für uns selbst, schließlich sind auch die Langzeitfolgen einer COVID-Infektion nicht zu verachten: Kurzatmigkeit, Husten und Schlafstörungen sind beim Ausdauersport äußerst hinderlich; kommt es gar zur sogenannten Fatigue (Müdigkeit, Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit) ist an Wettkampfsport überhaupt nicht mehr zu denken.

Im Grunde können die Gründe für weniger Interesse an Kulturveranstaltungen auch woanders liegen. Dennoch scheint es mir keine schlechte Idee, sich mit Empathie in andere hineinzuversetzen. Und dann lasst uns gemeinsam gesund und glücklich laufen.

Beitrag von Markus Heidl
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