Nach und nach verlässt uns die erste Volkslaufgeneration in die Ewigkeit. Mit ihr gehen die Erzählungen von tagelangen Wartezeiten auf Ergebnisse, von missglückten Computer gestützten Zeiterfassungen. Schnappschüsse auf Zelluloid waren alternativlos. Nun gibt´s Live-Bilder. Digitalisierung und Internet veränderten einiges im Sport. Dr.-Ing. Markus Heidl bedenkt Vorteile und Gefahren im 60. Pro & Kontra.

Walter Wagner, 18.05.2022

Die Zukunft ist jetzt

von Markus Heidl 

Ich erinnere mich noch gut an die alte Zeit - ehrlich gesagt ist das auch noch gar nicht so lange her - da war es schwierig, überhaupt zeitnah an Ergebnisse von Meisterschaften, Straßenläufen oder Stadionfesten zu kommen. Teilweise gab es selbst Stunden später keine Ergebnisliste im Netz, Glück hatte, wer vor Ort jemanden kannte, der oder die eine Statusmeldung abgeben konnte. Manchmal half noch Trick 17, wenn man beispielsweise in der URL ein altes gegen ein neues Datum austauschen musste, um die aktuellen Zeiten und Rangfolgen zu sehen.

Wie gesagt, das ist noch gar nicht so lange her, auch wenn es sich schon so anfühlt. Etwas später auf unserer Zeitreise wurde es besser. Es gab live-Ergebnisse und man durfte gar auf live-Bilder hoffen; die modernsten Ausrichter hatten bereits eine Kamera im Stadion oder im Start-/Zielbereich. Doch allzu oft fehlte der Fokus oder die Internetverbindung. Man war bereits glücklich, wenn die Übertragung etwas länger als ein paar Sekunden flüssig lief.

Entsprechend kamen mir die letzten Meisterschaften - ich denke da beispielsweise an die deutschen Crosslaufmeisterschaften im Dezember oder ganz aktuell an die deutschen Meisterschaften über 10.000 m in Pliezhausen wie eine disruptive Innovation vor: durch gleich mehrere Kameras, zwischen denen gekonnt hin- und hergeschaltet wurde sowie einen absolut flüssigen Stream konnte man sämtliche Rennen live am Bildschirm mitverfolgen. Klasse! Was ein Schritt in die Zukunft! Und dann auch noch kostenlos und ohne Werbung frei verfügbar. Selbst bei den Kommentatoren wurde auf gut informierte, fachliche Kompetenz gesetzt, was viel ausmacht.

Doch wie hoch ist die Hürde für Nichtläufer*innen, einmal hereinzuschnuppern und dann sogar hängenzubleiben? Wenn Expertinnen kommentieren, hat das natürlich den großen Vorteil, dass sie wissen, wovon sie sprechen. Einher geht aber der Nachteil, dass manches als selbstverständlich betrachtet wird, was eventuell einer Erklärung bedurft hätte. Warum genau ist das kommende Rennen so spannend?

Beim Pro & Kontra über die Finals hatte ich mir die Frage gestellt, ob es eine Einblendung braucht, wie die Regeln sind, um beim Wettkampf (z. B. beim Bouldern) besser mitfiebern zu können. Nun, bei einem Lauf sind die Regeln den meisten wohl klar: es gewinnt die oder der, wer zuerst im Ziel ist. Gerade bei unterschiedlichen Altersklassen lohnt es sich aber evtl. aufzuzeigen, wie die Athletinnen und Athleten im Rennen liegen. Wo die Abstände knapp sind, wo überholt wird und sich die Platzierungen verschieben - in einem Rennen gibt es viele denkbar sehr spannende Konstellationen.

Einher geht, dass sich die Übertragungen zwar massiv verbessert haben, es natürlich aber noch weiteres Verbesserungspotential gibt. Sowohl in Sonsbeck als auch in Pliezhausen (insbesondere dort eben 25 an der Zahl) wurden viele Runden gelaufen. Die aktuellen Abstände beispielsweise hätte ich spannend gefunden. Beim Radsport beispielsweise ist der aktuelle Abstand zwischen den Gruppen Normalität. Ebenso müsste es genauso möglich sein auf einem Streckenplan, den live-Standort der wichtigsten Akteurinnen oder Akteure aufzuzeigen, sodass man die Zeitabstände besser einschätzen kann. Und es gibt sicher noch viele andere tolle Ideen, die das Wettkampferlebnis noch spannender machen.

Doch kommen, wenn die live-Übertragungen immer besser werden, immer weniger Menschen ins Stadion? Das wäre schade, doch ich glaube es nicht. Eher wollen mehr, die am Bildschirm erlebt haben, wie spannend Läufe und technische Disziplinen sein können, einmal mit eigenen Augen sehen, wie solche Leistungen möglich sind. Vor Ort dabei zu sein, ist ein echtes Erlebnis. Gerade bei uns Leichtathleten gibt es sehr wenige unnahbare, abgehobene Stars. Meist kann man sich nett unterhalten, ein gemeinsames Foto ist eigentlich nie ein Problem. Inspiration und Motivation inklusive.

Wenn man zukünftig also die Rennen weltweit live mitverfolgen kann, stehen die Athletinnen und Athleten immer mehr in dem Rampenlicht, das sie verdienen. Auch für Sponsoren wird die Leichtathletik dadurch definitiv attraktiver.

Beitrag von Markus Heidl
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