Ein heißes Eisen fasst Dr.-Ing. Markus Heidl an. Der Boykott von Sportgroßveranstaltungen wird zunehmend in immer schärferen Tönen gefordert, so dass es kaum mehr gelingt, die Nationen der Welt etwa bei Olympischen Spielen oder bei diversen Weltmeisterschaften zusammen zu bringen. Was für mehr gegenseitiges Verständnis und Frieden beitragen soll, kann so schnell zum Gegenteil eskalieren. Doch wann läuft wo ein Fass über und lässt keine andere Wahl?

Walter Wagner, 12.12.2021

Boykott

von Markus Heidl 

Die Meldung, dass die USA keine Vertreter*innen nach Peking entsende, kam recht unscheinbar daher. Der diplomatische Boykott der Olympischen Winterspiele 2022 wirft aber einmal mehr schlechtes Licht auf das IOC, das sich hinter Pauschalaussagen versteckt. Sportsgeist sieht anders aus. Fassen wir zusammen.

Menschenrechtsverletzungen - ein Grund zum Boykott: In China werden die muslimischen Uiguren in politische Umerziehungslager gesteckt und ihrer Bewegungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit beraubt. Es gibt Berichte über Folter, Trennung von Kindern und ihren Eltern sowie Zwangssterilisierungen. 43 Staaten haben dagegen eine Erklärung bei der UN-Vollversammlung unterschrieben, sprechen gar von Genozid. Das IOC bleibt neutral.

Der Fall Peng Shuai - ein Grund zum Boykott: Die Tennisspielerin hatte berichtet, im Jahr 2018 vom ehemaligen chinesischen Vizepremier Zhang Gaoli sexuell missbraucht worden zu sein. Diese Meldungen wurden ebenso entfernt wie andere Berichte über Peng Shuai, die zudem für zwei Wochen spurlos verschwand. Über ihr Wohlergehen gab es keine gesicherten Informationen. Zensur und Einschüchterung sind für die WTA Grund genug, alle Tennis-Turniere sowohl in China als auch in Hongkong auszusetzen. Das IOC bleibt neutral.

Causa Zhang Zhan - ein Grund zum Boykott: die Bloggerin wurde inhaftiert, wird gefoltert und misshandelt. Die einzige Ursache ist deren friedliche und freie Meinungsäußerung. China verstößt gegen die internationalen Menschenrechtsnormen. Und damit nicht genug. Auch das gewaltsame Vorgehen des Regimes gegen die Demokratiebewegungen in Hongkong und Tibet wären ein Grund zum Boykott.

Natürlich wäre ein Gesamtboykott der Olympischen Spiele keine Lösung, es würden nur die Athletinnen und Athleten leiden. In der Vergangenheit zeigte sich durch den Boykott der Sommerspiele 1980 in Moskau keinerlei Auswirkungen, außer, dass die Gegenseite wiederum die darauffolgenden Spiele in Los Angeles boykottierte. Der politische Nutzen war gleich null, Einschränkungen gab es lediglich für die Sportlerinnen und Sportler. Und wer Snowboard oder Skeleton fährt, wird damit wohl keine Reichtümer erlangen und verdient als Lohn zumindest das Rampenlicht und die Olympischen Ehren. Für viele wird allein durch die Teilnahme ein Traum wahr.

Gleiche Probleme gibt es im Übrigen mit der Fußball-WM in Katar. Hier scheint die Fifa noch skrupelloser zu sein als das IOC, welches aber mit großen Schritten aufholt. Mit fairem Sportsgeist hat das nichts zu tun, der einzige Fokus liegt auf Profit. Und das ist keine Nachricht, die wir im Allgemeinen und im Sport im Besonderen senden sollten. Der Sport war schon immer ein verbindendes Element, bei dem Menschen miteinander ins Gespräch kommen und sich miteinander austauschen, auch wenn sie sonst nichts miteinander zu tun hätten. Soziale Hürden werden abgebaut, Integration beispielsweise ist kinderleicht.

Deshalb lohnt es sich auch politisch, in Sport zu investieren. Seien es Sportplätze, Fördergelder oder auch Förderungen des Spitzensports. Welche Funktion aber hat der Sport, wenn es weder um Gesundheit noch um Fairness geht? Beim IOC werden die Ausflüchte jetzt darin gesucht, dass Sport nicht politisiert werden dürfe. Doch das eine bedingt das andere: Ohne Politik gibt es keinen Sport. Im Umkehrschluss müssen durch den Sport Werte vermittelt werden. Diese Werte sind in unserem Fall klar: Menschenrechte dürfen nicht verletzt werden. Gewalt ist keine Lösung. Neutralität ist in diesen Fällen keine Option.

Wo also steht das IOC? Ist es Pro oder Kontra?

Beitrag von Markus Heidl
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