Halbzeit in Tokyo. Olympische Spiele so ganz anders? Ja und nein. Statt einander wertzuschätzen werden weiterhin Frauen diskriminiert. Es kommt noch immer zu rassistischen Beleidigungen. Falsch, der Fokus auf Nationen statt auf Leistungen und Persönlichkeiten. Es geht um mehr als um Medaillen und Statistik meint Dr.-Ing. Markus Heidl im 57. Pro & Kontra.

wawa, 30.7.2021

Fair Play,
was war das noch gleich?

von Markus Heidl 

Darf man stolz auf einen Zufall sein? Gerade jetzt, während den Olympischen Spielen, finde ich das eine berechtigte Frage. Das Phänomen kennt, denke ich, jede*r; durch die Berichterstattung wird es noch verstärkt: unabhängig vom Wettkampf schaut man vor allem auf die Beteiligung aus der eigenen Nation. In den USA beispielsweise ist diese Art der Berichterstattung noch viel extremer als bei uns in Deutschland.

Dabei ist es doch im Grunde Zufall, welcher Nation man sich zugehörig fühlt. Dass ich Deutscher bin, konnte ich mir weder aussuchen, noch beeinflussen. Dankbar bin ich dafür durchaus, weil ich mir meiner Privilegien bewusst bin. Aber warum sollte ich stolz auf meine Nationalität sein?

Wenn wir für "unser" Team D mitfiebern, geht es natürlich um Gemeinsamkeiten, denn persönlich kennt man die Athletinnen und Athleten nur in Ausnahmefällen, und auch dann hat man mit der Leistung in den meisten Fällen überhaupt nichts zu tun. Das verbindende Element ist aber vorhanden, da geht es uns wie auch sonst im Leben. Menschen, bei denen wir Gemeinsamkeiten sehen, wecken Sympathie, man findet Gesprächsthemen und teilt Ansichten.

An dieser Stelle ist, so finde ich, das Olympische Komitee mit einer klaren Aussage und entsprechendem Handeln in der Pflicht, sollen die Spiele doch vereinen. Die Olympischen Spiele standen für mich immer im Zeichen der Völkerverständigung. Ein großes Fest mit Sportlerinnen und Sportlern aus allen Herren Ländern, bei dem man vor allem feststellt, wie ähnlich man einander ist. Die Formel kann (im übertragenen Sinne) im Grunde so leicht sein: "Ich hab fünf Finger, du hast fünf Finger: lass uns Freunde sein!"

Lasst uns entsprechend gemeinsam wettkämpfen, einander wertschätzen und vor allem miteinander reden. Nur gemeinsam können wir die Welt retten. Die Olympischen Spiele sollten entsprechend gemeinsam gefeiert werden. Wir Zuschauer bewundern die Leistungen und das Können und finden Vorbilder für Fleiß, Durchhaltevermögen, Fokus und Konzentration. Die Nationalität spielt dabei keine Rolle, wenn wir ohne Vorurteile auf die Wettkämpfe schauen können.

Mit der jetzigen Politik des IOC werden die tollen Leistungen und Persönlichkeiten aber von Korruption, Werbung und Doping überschattet. Von solchen Spielen bin ich kein Freund, immer mehr geht mir dadurch die Freude an den Wettkämpfen verloren. Mir fehlt das Fair Play!

Moment, was war das noch gleich? Ach, richtig: "Fair Play ist ein Begriff, der ein bestimmtes sportliches Verhalten kennzeichnet, das über die bloße Einhaltung von Regeln hinausgeht. Es beschreibt eine Haltung des Sportlers, und zwar die Achtung des bzw. den Respekt vor dem sportlichen Gegner sowie die Wahrung seiner physischen und psychischen Unversehrtheit." - Wikipedia

Statt einander wertzuschätzen werden weiterhin Frauen diskriminiert, wenn Turnerinnen und (Beach)Volleyballspielerinnen Hosen verboten werden, wenn nicht die zwei Goldmedaillen der Bogenschützin An San gefeiert, sondern ihre Haarlänge diskutiert wird und wenn außerdem weiterhin die Periode tabuisiert wird. Doping und Korruption grassieren ebenso. Zu allem Überfluss werden dann noch Radfahrer als Kameltreiber beleidigt, was nicht nur höchst rassistisch ist, sondern auch als Beleidigung an sich rein gar nichts mit sportlicher Fairness zu tun hat.

Dennoch hoffe ich in meiner Naivität weiterhin. Meine Hoffnungen beruhen auf eigenständige Athlet*innen, die durch die sozialen Medien eine Stimme haben, die international und von sehr vielen Menschen gehört werden. Weil es dann international zur Behebung von Missständen kommen kann, weil wir dann gemeinsam Probleme lösen können. Weil es eben um mehr geht, als um eine Olympische Medaille, die wir in die nationale Statistik eintragen können.

Es bleibt dabei. Auf die Menschen kommt es an. Auf uns Menschen kommt es an!

Beitrag von Markus Heidl
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