Ja, mit den Finals, den "kleinen Spielen", kann man sich anfreunden. Dass nicht alles im Fernsehen gezeigt wird, nun, dass ist für Laufbesessene nichts Neues. Wem steigt nicht der Kamm, wenn die Bildregie stur beim Werfer oder Springer verbleibt, egal ob der Versuch gelang, diesen zweimal wiederholt, um dann endlich vom sitzenden Athleten zurück aufs Laufoval zu schwenken? Und dann noch diese Werbeblocks. Trotzdem meint Markus Heidl: Weiter so!

wawa, 9.6.2021

Die Finals

- was ist eigentlich

selbstverständlich?

von Markus Heidl

Was für eine grandiose Idee! Die Finals. Was im ersten Jahr mit fünf Sportarten begann, wurde mittlerweile auf 18 ausgeweitet. So muten die Deutschen Meisterschaften mit vielen verschiedenen Titeln wie eine Art Mini-Olympia an, was die Strahlkraft und Faszination vereint, wenn man die Gelegenheit bekommt, den Besten ihres Fachs zuzuschauen. Wie die Schwimmerinnen durch das Wasser gleiten, wie die Kletterer scheinbar unlösbare Routen meistern und dabei auch noch schnell sind. Mit welcher unglaublichen Eleganz Hürden überlaufen werden können und zu welcher Körperspannung der Mensch an Turngeräten fähig ist. Auch Klettern, BMX- und Kanufahren, Kampfsport, Triathlon oder beispielsweise Bogenschießen wurde gezeigt. Die Vielseitigkeit des Sports, gebündelt an einem Wochenende, live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Klasse!

Beim Zuschauen habe ich mir im Wesentlichen zwei Fragen gestellt: 1) Was können wir als selbstverständlich voraussetzen und 2) Wie könnten wir das Potential dieser tollen Idee noch weiter ausschöpfen?

Die erste Frage habe ich mir beim Bouldern gestellt, weil sich für mich nicht klar erschloss, was die Bewertungskriterien waren. Ging es nur ums Meistern der verschiedenen Routen? Zählte die Zeit mit in die Wertung? Vielleicht gab es zu Beginn der Übertragung eine kurze Erklärung, die ich aber verpasst habe. Ich kann mir vorstellen, dass ich dadurch nicht ganz so sehr gefesselt war, wie wenn ich es verstanden hätte. Das wiederum führte mich zu der Frage, wie verständlich eigentlich unsere geliebte Leichtathletik ist. Ist es klar, dass die Leistungen der Vorläufe nur zum Weiterkommen zählen und ansonsten im Finale nicht relevant sind? Ist es klar, dass beim Weitsprung nicht ab dort gemessen wird, wo abgesprungen wurde und beim Hochsprung eine Höhe ausgelassen werden kann? Oder braucht es bei einer solchen Übertragung eine Einblendung mit einer simplen Erläuterung, auf was es ankommt? Beim Bouldern hätte ich mir das gewünscht.

Wenn Experten kommentieren, hat das natürlich den großen Vorteil, dass sie wissen, wovon sie sprechen. Einher geht aber der Nachteil, dass manches als selbstverständlich betrachtet wird, was eventuell einer Erklärung bedurft hätte.

Genauso braucht es wahrscheinlich eine Einordnung der Leistung. 3:34,64 Minuten kann ich einordnen und bin umso beeindruckter. Im Schwimmbecken oder bei den Kanuten könnte ich nur raten, was eine gute Zeit über 1500 m wäre. Wenn denn diese Strecke überhaupt auf dem Programm steht. Gleichzeitig darf der Respekt vor allen Teilnehmer*innen nicht verloren gehen, was mich insbesondere am Samstag beispielsweise beim Speerwerfen oder auch beim Hindernislauf der Frauen gestört hat. Um das Niveau der Weltklasse zu erreichen, braucht es mehr als nur Trainingsfleiß. Immerhin sprechen wir von den besten der gesamten Bundesrepublik! Am Rande sei weiterhin bemerkt, dass Spitzenleistungen wie über 3000 m Hindernis der Männer komplett vernachlässigt wurden.

Als Läufer stört mich das natürlich, genauso, wie ich auch die Unterbrechungen während eines Rennens nicht mag. Allen Recht machen kann man es aber natürlich nie. Gefragt habe ich mich allerdings, wie viel mehr Potential noch in der Idee steckt (2).

Denn natürlich motivieren die Bilder im Fernsehen, die Disziplinen einmal selbst auszuprobieren. Vielleicht auch mit dem Ziel, einmal selbst so schnell, stark, geschickt oder athletisch zu werden wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Finals. Aber reicht das als Inspiration? Oder braucht es Mitmachangebote - direkt vor dem Bildschirm? Vor dem inneren Auge schwebt mir für die Finals - und vielleicht sogar schon bei Landesmeisterschaften? - eine Sportstätte ähnlich einem olympischen Dorf vor, in dem sich die Sportlerinnen und Sportler disziplinübergreifend kennenlernen, wo Mitmachangebote zum Ausprobieren einladen und inspirieren, wo einmal im Jahr die Werte des Sports gefeiert werden.

Doch leider habe ich auch noch etwas anderes mitgenommen, war doch die zwischengeschaltete Werbung im ZDF sehr irritierend. Als schlicht erschreckend ist die Auswahl der beworbenen Produkte zu bezeichnen. Krank werden kann man allein vom Zuschauen, Abhilfe schaffen die verschiedenen beworbenen Pillen und Salben. Zum Einschlafen, bei Harndrang, Verstopfung oder Schmerzen. Muss das sein? Trotz Rundfunkbeitrag, den wir zahlen?

Dennoch bleibt der positive Eindruck der Finals. Über Leichtathletik im Fernsehen freue ich mich immer, die Finals hatten zusätzlich noch mehr zu bieten. Weiter so! Ich freue mich schon auf das nächste Mal.

Beitrag von Markus Heidl
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