Der um ein Jahr verschobene Termin der Olympischen Spiele rückt näher. Corona-bedingt klemmt es aber noch immer in vielen Bereichen schon bei den Qualifikationen. Absehbar wird es keine Spiele wie gewohnt geben können, wenn überhaupt. Kraftanstrengungen wenigstens den Profisport beizubehalten finden ein geteiltes Echo. Die Chance, in der Pandemie den Sport aus den kapitalistischen Klauen zu befreien, wird vertan.

wawa, 9.4.2021

Ach, Herr Bach.
von Markus Heidl

Auch Dr. Thomas Bach, jüngst am 10.03.21 auf einem virtuellen Kongress des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ohne Gegenkandidaten für weitere vier Jahre als Präsident des Olympischen Komitees bestätigt, hat es derzeit sicher nicht leicht. Denn weiterhin sind die Olympischen Sommerspiele in der Schwebe. Die COVID-19 Pandemie hängt wie ein Damoklesschwert insbesondere über Großveranstaltungen. Als Präsident steht Herr Bach in gewisser Weise als Person für die Entscheidungen um Olympia.

Nun wurden die Spiele im letzten Sommer vernünftigerweise verschoben. Vertagt in ein Folgejahr, für das man die Hoffnung hatte, dass alles besser sein würde. Nur haben wir mittlerweile nicht nur weiterhin ein weltweit verbreitetes Virus, sondern zudem mutierte Versionen davon, die weitaus ansteckender sind, während wir insbesondere weltweit betrachtet noch lange nicht genug Impfstoff zur Verfügung haben. Und weil, wie sich zuletzt bei den Europameisterschaften in Torun zeigte, selbst die ausgeklügelsten Hygienekonzepte nicht ausreichen. Dort hatte es im Anschluss allein im deutschen Team sieben positive Fälle gegeben.

In manchen Ländern wurde bereits diskutiert, ob Profisportler:innen den Impfstoff früher bekommen sollen, um Wettkämpfe und gerade auch die Spiele stattfinden lassen zu können. Doch mit welcher Begründung? Ärzt:innen und Pflegepersonal, Erzieher:innen und Lehrer:innen sowie viele weitere Angestellte in gesellschaftlich relevanten Positionen sind wichtiger und müssen genauso Priorität haben wie Risikopatient:innen. Denn klar ist: wir brauchen den Profisport nicht.

Natürlich leben die meisten Profis gewisse Werte wie Disziplin, Durchhaltevermögen und Fleiß vor. Sie bieten Inspiration und nehmen eine Vorbildfunktion ein. Natürlich machen die Olympischen Spiele Lust, selbst Sport zu treiben, den Idolen nachzueifern. Natürlich werden gerade auch bei den Spielen Sportarten gezeigt, die sonst kaum im Rampenlicht stehen. Und natürlich wären gerade auch solche TV-Übertragungen eine willkommene Abwechslung in Zeiten wie diesen.

Doch gerade die Olympischen Spiele hatten in der öffentlichen Wahrnehmung zuletzt ein immer schlechteres Image. Als Außenstehender hatte man leider viel zu oft das Gefühl, dass es immer mehr um die Werbegelder geht, immer weniger entsprechend um den Sport und die Werte. Hand in Hand gehen damit die sich gefühlt häufenden Doping- und Korruptionsfälle, die eher vertuscht als transparent aufgearbeitet wurden. Zumindest wirkte es so.

Dazu hat auch Thomas Bach beigetragen. Der deutsche Jurist und Sportfunktionär war selbst als Fechter (Florett) 1976 Olympiasieger mit der Mannschaft. Schon früh war er in der Sportpolitik engagiert und beispielsweise 1975-1979 Aktivensprecher des Deutschen Fechter-Bunds. 1991 wurde er ins IOC berufen, seit 2013 ist er als Nachfolger von Jacques Rogge Präsident des Olympischen Komitees. 2025 kann er laut Olympischer Charta nicht erneut kandidieren. Kritisiert wurde er in der Vergangenheit nicht nur für seinen Beratervertrag mit Siemens, auch wurde ihm der Preis "Verschlossene Auster" für die restriktive Informationspolitik des Olympischen Komitees verliehen. Die wenigen Informationen, die sich über ihn finden lassen, sind überschattet vom Gegenteil des Fair-Play, nämlich von Korruption und Interessenskonflikten: Thomas Bach gilt als Sympathisant von Wladimir Putin, wodurch Journalisten das inkonsequente Vorgehen gegen das russische Staatsdoping begründet sehen.

Neben dem beschämenden Umgang mit Betrug und Doping war Bach weiterhin nicht zur Eröffnungsfeier der Paralympics in Rio erschienen (das IPC war im Gegensatz zum IOC in der Lage, russische Athleten auszuschließen), verweigerte seine Zeugenaussage bei Korruptionsermittlungen, besitzt seit 1994 ohne Begründung einen Diplomatenpass und will ebenso wie Blatter von illegalen Geschäften (Stichwort Ticketverkäufe) unter sich nichts mitbekommen haben. Natürlich ist er juristisch nicht belastbar, dennoch sieht Fair Play anders aus. Gerade in einer Vorbildfunktion. Wäre es nicht doch Zeit für einen Wechsel?

Mit den jetzigen Vorzeichen werden die nächsten Olympischen Spiele - sofern sie denn stattfinden - mehr zu einem Konkurrenzkampf statt zu einer Völkerverständigung. Nun ist die Wahl des Präsidenten bereits in trockenen Tüchern, vielleicht wäre die Pandemie aber dennoch auch für das IOC die notwendige Chance für einen kompletten Neuanfang, die Möglichkeit für einen Wandel hin zu mehr Transparenz und sportlicher Fairness. Damit der Olympische Gedanke wieder eine Chance bekommt.

Beitrag von Markus Heidl
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