Geht´s ums Laufen, gibt´s eigentlich kein Kontra. Gründe warum wir laufen, werden in diesem Beitrag genannt. Und doch bleiben es Momentaufnahmen, denn sie ändern sich in einem langen Läuferleben. Erinnert werden die aufgezählten Gründe aber immer gern. Die harten und grenzwertigen Lauferlebnisse, die von Erfolg gekrönten und die Niederlagen. 53. Pro & Kontra Beitrag von Dr.-Ing. Markus Heidl.

wawa, 16.1.2021

Tausendundein Gründe, warum wir laufen
von Markus Heidl

Ich bin schon morgens um sechs Uhr gelaufen. Sonntags, im Regen. Auch habe ich schon Intervalle gemacht, obwohl ich zuerst überhaupt keine Lust hatte. Ich habe mir Laufsachen angezogen, trotzdem ich müde war und mich die Couch mit aller Macht rief. Immer wieder habe ich meine Laufschuhe geschnürt und diesen ersten Schritt gemacht, zu dem man sich überwinden muss. Ich habe geschwitzt, geflucht, die Zähne zusammengebissen und stets aufs Neue meinen Tag so umorganisiert, dass noch ein wenig Zeit zum Laufen blieb.

Aber warum eigentlich?

So gerne ich laufe und so viel Spaß es mir bisweilen macht, so fühle ich mich nicht immer gut dabei - Laufen kann hin und wieder auch eklig sein. Lange Zeit dachte ich, die Motivation in Form zu kommen rühre von großen Wettkämpfen. Wenn der Marathon im Herbst ruft, ist das ganze Training schon ab dem Sommer nur für diesen einen Tag konzipiert. Während so manchem Lauf stellt man sich den Zieleinlauf vor. Und wenn es mal wieder hart ist, macht man weiter, um es im Rennen selbst dann leichter zu haben.

Dann aber kam die Pandemie und nahm uns die Wettkämpfe. Sicher gab es infolgedessen den einen oder die andere, die in ein Motivationsloch fielen. Nach und nach fingen sie aber alle wieder an. Mal nach wenigen Tagen, mal nach einigen Wochen. Manche mit der Hoffnung auf zukünftige Rennen, andere einfach nur so. Dennoch scheint der Beweis erbracht, dass es nicht die Rennen sind, die uns wirklich motivieren.

Natürlich bleibt das Argument, dass man sich hinterher - nach (fast ausschließlich) jedem Lauf - immer besser fühlt als zuvor. Laufen hilft nun mal. Dennoch könnte man allein mit diesem Argument nicht begründen, warum Trainingspläne geschmiedet, Tempoprogramme abgespult, Sprints in den Asphalt gebrannt und lange Läufe durchgeboxt werden. Bis dahin würde Joggen reichen.

Nun ist gegen eine gepflegte Joggingrunde überhaupt nichts einzuwenden. Sehr gerne lasse ich mich im Wohlfühltempo treiben, bade im Wald und lasse die Gedanken schweifen. Um dabei aber mehr Spaß zu haben, denke ich, braucht es hin und wieder andere Reize. Und damit kommen wir dem Kern des Ganzen schon näher.

Ausgeschlossen werden soll aber zunächst keinesfalls, dass jede Quälerei beim Laufen besser ist, als gar nicht erst laufen zu können. Verletzte können ein Lied davon singen. Zwar beschwert man sich innerlich hin und wieder, wie anstrengend die Lauferei ist - wenn man aber durch eine Krankheit oder Verletzung nicht laufen kann, sehnt man sich geradezu selbst nach den gefühlt schlechten Läufen.

Besonders schön am Laufen ist auch die Gemeinschaft. Über jedes Vorurteil hinweg vereint der Sport. Allein durch diese eine Gemeinsamkeit haben Läuferinnen und Läufer stets ein Gesprächsthema. Überhaupt ist es vielleicht nur die Gemeinschaft, die organisierte Laufveranstaltungen ausmachen. Keine Jagd nach schnellen Zeiten, sondern schlicht und einfach der Austausch vor und nach einem Lauf. Ob mit oder ohne Kuchen, ob auf einer harten Holzbank oder in einer stickigen Turnhalle. Auch kann eine Freundschaft kaum enger sein, als wenn sie auf der Laufstrecke geschmiedet wurde. Wer gemeinsam gelitten, beim Umziehen gefroren und gemeinsam geträumt hat, den verbindet mehr als bloße Gemeinsamkeiten.

Aber knautschen wir deswegen? Keineswegs. Auch das oft besungene Bessere Ich kann nicht wirklich langfristig motivieren. Wen interessieren schon Bauchmuskeln, wenn die Schokolade lockt?

Ich persönlich trainiere für ein Gefühl, das ich nur erreiche, wenn ich in guter Form bin. Denn das, was das Laufen wirklich ausmacht, ist der Moment, wenn man Fliegen kann. Dieses Gefühl der Unbesiegbarkeit, wenn alles stimmt. Diese Empfindung vor dem Start, wenn man weiß, dass alles möglich ist. Die schlichte, kindliche Freude am Rennen. Dieser Moment, im Hier und Jetzt, im perfekten Lauf.

Darum laufen wir.

Beitrag von Markus Heidl
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