Nein, mit der Pandemie beschäftigt sich Dr.-Ing. Markus Heidl nicht direkt. Klima, Gesundheit und Tierwohl sind seine Themen. Ich baue aber die Brücke zu den besonders Gefährdeten in der Corona-Krise, den Millionen mit Vorerkrankungen. Ursächlich ist dafür häufig eine ungesunde Lebensweise. Wer verantwortlich mit sich selbst und der Umwelt umgeht, sich fit hält und sich pflegt, kommt besser durch.

wawa, 21.11.2020

Das andere Fleisch
von Markus Heidl

Es gibt die einen, die sich nicht einmal vorstellen können, auf Fleisch zu verzichten. Und es gibt die anderen, die den Verzehr sämtlicher tierischer Produkte ausschließen. Die Fronten sind verhärtet, wenn aber beide Seiten zumindest ein wenig über den Tellerrand blicken, können wir uns zumindest darauf einigen, dass eine Reduktion unseres Fleischkonsums Sinn macht. Weniger Fleisch ist besser für die Gesundheit (Diabetes, Medikamente, rotes Fleisch ist laut WHO "wahrscheinlich krebserregend"), besser für das Klima (enorme Produktion von Treibhausgasen, auch durch die Futtermittelproduktion) und natürlich besser für die Tiere selbst (98 % Massentierhaltung in Deutschland).

Von der Prämisse ausgehend, dass weniger Fleisch gegessen werden will, kann man zum einen die wunderbare Vielfalt der vegetarischen und veganen Küche erkunden, die weit mehr Möglichkeiten bietet als das Denkmuster "Fleisch + Beilage + Gemüse = Hauptgericht"; zum anderen kann man mittlerweile sehr einfach die gewohnten Fleischprodukte durch "das andere Fleisch", also Fleischersatzprodukte ersetzen. Diese kommen dem Original geschmacklich und in puncto Konsistenz immer näher, sodass sie auch von Fleischliebhabern, die den aromatischen Geschmack vermissen, sich aber klar gegen einen oder mehrere der oben genannten Gründe positionieren, gekauft werden. Auch für Milch und Milchprodukte, Eier, Fisch und Wurst gibt es gute Alternativen.

Wie aber werden der ähnliche Geschmack und die vergleichbare Konsistenz erreicht? Klar ist, dass Ersatzprodukte hochverarbeitete Lebensmittel sind. Die veganen Pattys einer bekannten Marke beinhalten beispielsweise 21 Zutaten, fünf Zusatzstoffe und Aromen. Auch veggie-Wurst oder Sojaschnitzel sind teilweise zu fett, zuckerhaltig oder salzig, weshalb ein Blick auf die Zutatenliste stets ratsam ist. Genau wie in klassischer Wurst kann viel in der Masse versteckt werden.

Wie das Beispiel der Wurst bereits andeutet, schneiden Ersatzprodukte bezüglich Salz- und Fettgehalt in der Regel allerdings deutlich besser ab als verarbeitete Fleischprodukte. Auch Antibiotika oder Wachstums-Hormone sind nicht enthalten. Laut Albert Schweitzer Stiftung stellen viele Fleischalternativen eine qualitativ hochwertige Proteinquelle dar. Beim Energiegehalt schnitten die fleischlosen Alternativprodukte meist etwas günstiger ab als die Fleischprodukte, wobei generell mehr Kohlenhydrate enthalten sind, was manche Diät beeinflussen mag.

Im Verhältnis mit dem Original fällt zusätzlich auf, dass das Siegel ‚vegan' häufig automatisch dazu führt, den Preis ordentlich zu erhöhen. Einerseits könnte man argumentieren, dass mit den neumodischen Ersatzprodukten ordentlich Geschäft generiert werden soll. Andererseits stellt sich auch dann wieder die Frage, wie nur so günstig Fleischprodukte produziert werden können. Wenn veganer Aufschnitt doppelt oder sogar mehr als dreifach so teuer wie ein herkömmlicher Schinken ist, kommt die Frage auf, unter welchen Bedingungen die Schweine leben müssen. Die Massentierhaltung ist das abstruse Normal geworden, dem auch mit einem gerechten Preis für Fleisch entgegengewirkt werden muss. Tiere sind keine Dinge, sondern Lebewesen.

Falsch wäre dennoch der Umkehrschluss, ‚vegan' automatisch mit gesund zu assoziieren. Statistisch gesehen ernähren sich Veganer gesünder als Fleischesser, meist aufgrund der einfachen Tatsache, dass sie sich viel mehr mit ihrer Ernährung auseinandersetzen. Dennoch könnte man überspitzt gesagt den ganzen Tag Pommes mit Ketchup essen, was zwar vegan, aber sicher nicht gesund ist.

Ein generelles Problem unseres Fleischkonsums ist die Abstraktheit des Produkts: kaum ein Erzeugnis bringt man noch mit dem Tier in Verbindung, sei es Hack, Fleisch-, Leber- oder andere Wurst wie auch Salami, paniertes Schnitzel oder Chicken Nuggets, Joghurt und Käse bis hin zum Gulasch. Im Umkehrschluss braucht dafür aber auch kein Tier zu leiden und schließlich zu sterben.

Fleisch könnte, ginge man zu einem Metzger mit eigener Schlachtung, unverpackt verkauft werden. Im Supermarkt hingegen wird insgesamt sehr viel Plastikmüll erzeugt, seien es nun die Verpackungen aus der Fleischtheke oder der Ersatzprodukte. Dennoch werden weniger Ressourcen für die Produktion eines Ersatz-Schnitzels oder eines Soja-Würstchens gebraucht als für das entsprechende Fleischprodukt, womit wir wieder beim Klima-Aspekt angekommen wären. Ebenso zum Thema Klima gehört der Transportweg.

Wenn es nun um die heimische Tierhaltung geht, wird es erst so richtig problematisch, wird diese doch weiterhin schlicht und einfach falsch dargestellt, haben wir doch trotz 98 % Massentierhaltung das Bild von glücklich auf der sonnigen Weide stehenden, mit Bergen im Rücken grasenden Kühen im Kopf, was auch durch die Verpackungen suggeriert wird.

Gründe genug, um es vielleicht einmal zu probieren, mit dem anderen Fleisch oder gar einem veganen Tag pro Woche. Für unsere Gesundheit, für unser Klima und für die Tiere.

Beitrag von Markus Heidl
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