Immerhin bleibt Individualsport auch im November gestattet, darf aber nur allein oder maximal zu zweit auf Sportanlangen ausgeführt werden, so verlautbart es die Hessische Landesregierung. Also scheint es außerhalb von Sportanlagen erlaubt zu sein, dass bis zu 10 Personen aus maximal 2 Haushalten zusammen laufen können. Kurzum, will man straffrei experimentieren gilt es die regionalen Vorgaben einzuhalten.

wawa, 31.10.2020

Rhythmus neu denken
von Markus Heidl

Würdet ihr euch als starr bezeichnen? Als Läufer ist man doch eigentlich sehr flexibel, oder? Denn wenn der Tag voll ist, stehen wir früher auf und machen unseren Lauf frühmorgens, wenn wir in der Mittagspause laufen wollten und sich der Terminplan so ändert, dass das nicht möglich ist, laufen wir noch nach der Arbeit. Wenn es sein muss auch spät nachts - ein bisschen Zeit ist immer. Und die Laufschuhe sind innerhalb kürzester Zeit geschnürt.

Dennoch würde ich mich selbst rückblickend aber nicht als flexibel bezeichnen, gab es doch stets feste Termine für bestimmte Trainings. Jahrelang waren Dienstag, Donnerstag und Samstag die Leichtathletik-Trainingstage, der Dienstag blieb auch zu Zeiten des ambitionierten Marathontrainings bestehen: Dienstag hieß Tempotraining, ziemlich unabhängig von den sonstigen Laufeinheiten der Woche, ziemlich unabhängig auch von der Tagesform.

Auf der einen Seite ist das gut: im Vereinstraining hat man Trainingspartner, die einen mental unterstützen und enorm dabei helfen, schnell zu laufen. Manchmal muss man an und über seine Grenzen gehen, um sich weiterzuentwickeln. Und gerade im Marathontraining muss man lernen, auch mit müden Beinen schnell zu laufen.

Andererseits sind die Rahmenbedingungen sehr steif. Wenn wöchentlich die Termine festgelegt sind, ist der Spielraum sehr viel begrenzter. Natürlich gibt es Daumenregeln, wie beispielsweise, dass im Normalfall pro Woche nicht mehr als zwei Mal "hart" und zwei Mal "mittel" trainiert werden sollte. Auch gibt es einige Trainingsgruppen, die sich an einem wöchentlichen Rhythmus orientieren, so liest man beispielsweise immer wieder von einer in den sozialen Medien sehr präsenten Gruppe aus Kenia, in der der lange Lauf stets donnerstags absolviert wird. Ebenfalls könnten beispielsweise religiöse Vorstellungen dazu führen, immer an einem festen Wochentag zu pausieren.

Dennoch trainieren manche Profis anders. Meb Keflezighi beispielsweise hatte sich vollkommen vom sieben-Tage-Rhythmus einer normalen Woche gelöst und absolvierte seine Kerneinheiten an jedem dritten Tag. Der hierzulande vielleicht bekanntere Philipp Pflieger, der seit Anfang des Jahres unter den Fittichen von Trainerlegende Renato Canova steht, berichtet vom selben Rhythmus: unabhängig vom Wochentag folgen nach einer harten Einheit zwei lockere Tage (wobei auch dann natürlich einiges an Distanz zurückgelegt werden kann). Und manchmal wird die Zahl der ruhigen Tage auch erhöht, je nach Körpergefühl.

Auch diesen Ansatz könnte man noch weiter treiben: wer seinem Körpergefühl nicht vertraut, schaut auf seine Herzfrequenzvariabilität. Auch dabei geht es im Grunde aber darum, dann den nächsten Trainingsreiz zu setzen, wenn der Körper dafür bereit ist - nicht, wenn der Kalender den festen Tag des Tempotrainings (oder des langen Laufs etc.) zeigt.

Und vielleicht ist genau jetzt die richtige Zeit, sich einmal vom gewohnten Rhythmus zu lösen und etwas Neues auszuprobieren, denn für mindestens die nächsten vier Wochen ist unsere Normalität einmal mehr auf den Kopf gestellt. Losgelöst vom getakteten Alltag können wir den Shutdown nutzen, um uns selbst etwas besser kennenzulernen und unser Training an die Bedürfnisse der eigenen körperlichen Voraussetzungen anzupassen. Und wenn es nicht passt, können wir hoffentlich bald wieder zur Normalität zurückkehren.

Beitrag von Markus Heidl
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