Da radelt der LaufReport-Kollege vom Training heim und was bringt er uns mit? Nicht nur sein 50. Pro & Kontra, wofür ich mich herzlich bedanke, sondern auch noch die Idee, die Nutzung von Kraftfahrzeugen total zu überdenken. Und irgendwie, und das sage ich als eingefleischter Autofahrer, klingt es durchaus vernünftig.

Walter Wagner, 10.10.2020

Das Auto muss weg
von Markus Heidl

Neulich, da fuhren wir nach dem Training zu viert auf einer ganz normalen Straße. Nebeneinander, weil nichts los war - das Sportzentrum liegt etwas abseits neben einem Industriegebiet, da ist in den Abendstunden nicht viel Verkehr. Und dieses freie Fahren, das war ein tolles Gefühl! Sieht so die Zukunft aus?

Denn glücklicherweise gibt es bereits erste Diskussionen um die Vormachtstellung des Automobils. Derzeit ist Autofahren viel zu angenehm und günstig, die schlagendsten Argumente hat hierfür Prof. Knoflacher aus Wien, der dort nicht nur bereits zeigen konnte, wie viel attraktiver Städte werden, wenn dort nicht Auto gefahren wird - aus zugeparkten Straßen werden freie Plätze zum Spielen mit der ganzen Familie, aus großen, stinkenden Kreuzungen werden grüne Inseln, wo Restaurants große Außenbereiche haben und Menschen in Ruhe und ohne Abgase zusammenkommen können. Die autofreie Innenstadt ist also keine Utopie mehr, Prof. Knoflacher geht gar so weit, Autofahren als "asozial" zu bezeichnen.

Grundsätzlich nämlich ist ganz Deutschland (und Europa?) auf das Auto ausgelegt. Aber ist unsere Normalität überhaupt annehmbar? Warum müssen Kinder, wenn sie über die Straße laufen, nach Autos schauen - und nicht umgekehrt? Auch der Flächenverbrauch eines Autos ist absurd (hier erinnert das "Gehzeug" von Prof. Knoflacher an die aktuellen COVID-19 Abstände), unsere Städte sind so voll, dass autofreie Straßen und freie Parkplätze ganz ungewohnt sind. Direkte Vergleiche aus Wien zeigen, wie viel Lebensqualität wir hier verschenken. Statt mit unseren Autos einfach wegzufahren, um "in die Natur" zu flüchten, müssen wir unseren Lebensraum verteidigen. Besser wäre es doch, wenn man gar nicht erst wegfahren müsste, um es schön zu haben.

Insbesondere der Einzelhandel hatte darauf gedrängt, dass genügend Parkplätze für die Kunden vorhanden sind. Erst durch Sperrungen von Straßen für Autos zeigt sich jetzt immer wieder, wie viel lieber wir uns aber in der Innenstadt aufhalten, wenn keine Autos stören. Schlendern ist dann angenehm, was wiederum dem Einzelhandel gut tut. Überhaupt ist Einkaufen sehr gut zu Fuß, mit dem normalen Fahrrad oder mit den immer häufiger aufkommenden Lastenrädern möglich. Wer gar nicht erst daran denkt, für kleine Wege das Auto zu nutzen, bleibt allein durch den Alltag länger fit.

Natürlich muss es Ausnahmen geben. Geschäfte müssen beliefert und Menschen, die nicht mehr mobil sein können, versorgt werden. Hierfür wären Liefer- und Pflegedienste auf Elektrobasis denkbar, die im Regelfall sogar mit beschränkten Zufahrtszeiten auskommen.

Und wie kann das auf dem Land funktionieren? Natürlich heißt es sofort, dass es ohne öffentliche Verkehrsmittel keine Alternative zum Auto gibt. Gerade aber durch die höheren Geschwindigkeiten werden nur die Wege länger, die investierte Zeit bleibt gleich. Es werden weite Strecken gefahren, um dieselben Dinge einzukaufen, die es auch im kleinen Laden um die Ecke gibt. So zerstört das Auto die kleinen Strukturen und verändert die Wirtschaftsstruktur, die Stadtstruktur und die sozialen Beziehungen. Ziel sollte es sein, kleine Geschäfte zu fördern.

Auch der Arbeitsweg sollte mit dem Fahrrad angenehmer sein als mit dem Auto. Hier konnte die weltweite Pandemie mit dem dadurch akzeptierten "Home Office" aufzeigen, wie sehr wir durch das viele Autofahren dem Klima schaden. Eine Vision sind, um zügiges Radfahren zu fördern, Induktionsschleifen auf Fahrradwegen vor vielbefahrenen Straßen, die den Autoverkehr automatisch für die Durchfahrt stoppen. So müsste keine Unterführung oder Brücke gebaut werden und macht gleichzeitig das Autofahren unattraktiver. Und genau da müssen wir Stück für Stück hin, denn Autos zerstören die Natur, die Landschaft, unsere Städte wie auch die Wirtschaft - und entziehen zusätzlich nachhaltigen Verkehrsmitteln den Boden. So sehr ich aus Umweltsicht den Trend zu Elektroautos befürworte bleibt doch die Denkweise zu eingeschränkt. Das Denkmuster, sich durch die Kraft des Autos stark und überlegen zu fühlen, ist veraltet.

Wir Läufer wissen um die Kraft unserer Beine und die Ausdauerfähigkeit des menschlichen Körpers. Wir Läufer wissen, wie weit man zu Fuß kommen kann. Das Gehen sollte als Fortbewegungsart die oberste Priorität haben, denn Laufen ist gesund, ökologisch sowie sozial und ökonomisch verträglich. Für längere Wege kommt erst das Fahrrad, dann die öffentlichen Verkehrsmittel. Und das Auto, das muss weg.

Beitrag von Markus Heidl
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