9.3.25 - 50. Bienwald Marathon mit 47. Halbmarathon in Kandel

Sensationelle Jubiläumsveranstaltung mit Streckenrekord im Halbmarathon

von Günter Krehl 
 

1976 berichtete uns Wolfgang Fischer, dass sein Team von Salamander Kornwestheim in Kandel auf einem superschnellen Kurs jede Menge persönliche Bestzeiten erzielt hätte. Der ehemalige Hürdensprinter und Olympionike von 1960 in Rom hatte in seiner zweiten Karriere um sich herum eine Mannschaft aufgebaut, die im Seniorenbereich viele Titel einheimsen konnte. Wohl war mir der Ort in der Pfalz ein Begriff, aber mit Marathon hatte ich bisher nur in Bräunlingen, Kressbronn, Mannheim, an der Hornisgrinde, in Leinfelden, Önsbach, Illertissen, Frankfurt, Boston und Ulm-Söflingen zu tun gehabt. 1977 verhinderte dann noch ein Infekt meine Premiere, so dass ich erst 1978 bei der dritten Auflage mit einer Steigerung von 2:50 auf 2:39 meine neue Liebe kennenlernen durfte.

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Kurz nach dem Start geht es in Richtung Kandel Ort
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Sie hat nun leider nur noch "platonisch" mit dem Dasein als Laufreporter überlebt und ist nach diesem grandiosen Jubiläumslauf erneut aufgeflammt. Hatte man in den Anfängen seinen "persönlichen" Parkplatz so gut wie sicher, war 2025 schon zu erwarten, dass selbst bei früher Anreise der Ort für den fahrbaren Untersatz ein spannendes Lotteriespiel würde. Beindruckend mit welcher Logistik die vielen Helfer die Fahrzeuge in alle möglichen Bereiche lotsten. Erstmals war der Run auf die Startnummern so groß gewesen, dass schon Wochen vor dem Event alle 2.500 Plätze "ausverkauft" waren. Dank der Möglichkeit der Weitergabe seiner Starterlaubnis kam Calw immerhin in den Genuss eines Kreisrekordes.

 

Auf die Sekunde genau um 10 Uhr erfolgte der Start und das Pfälzer Urgestein Wolfgang Behr konnte wieder über Stunden seine Höchstform am Mikrofon abliefern. Wie bestellt war Traumwetter mit purem Sonnenschein und wenig Wind angesagt. Nun für den Marathon waren die Temperaturen am Ende sicher etwas zu hoch, die Halbmarathonläufer kamen damit aber noch gut zurecht. Überhaupt hat leider die kürzere Strecke mit 1.546 erfolgreichen Sportlern dem Namensgeber den Rang abgelaufen, der mit 520 Aktiven nur ungefähr ein Drittel aller Teilnehmer stellte.

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Große Gruppen sub1:20 von Minfeld her kommend Gunther Moll paced die 1:45 zielgenau (1:44:25)

 

Von Beginn an setzte sich der Deutsche Marathonmeister von 2023, Lorenz Baum (LAV Stadtwerke Tübingen), vom Verfolgerfeld ab. Er eilte mit großen Vorsprung alleine durch den Bienwald und verpasste mit 1:05:14 den 3 Jahre alten Streckenrekord von Simon Stützel nur um 6 Sekunden.

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Eine Besonderheit ist sicher, dass er vor 3 Jahren hinter Stützel mit genau der gleichen Zeit wie heuer Platz zwei belegt hatte. In den Bestenlisten finden sich dann aber 1:05:13 als persönliche Nettobestzeit. Mit gehörigem Abstand folgten Lorenz Rau und Kilian Schreiner (beide ASC 1990 Breidenbach). Rau verbesserte seine Bestzeit mit 1:07:21 um 16 Sekunden. Schreiner lief 1:08:43, war aber 2016 bei den Deutschen Meisterschaften in Bad Liebenzell als Sechster schon 1:06:22 gelaufen.

Lorenz Baum nach Kilometer 6 schon mit großen Vorsprung vor den Verfolgern Lorenz Rau (vorne) und Teamkollege Kilian Schreiner noch dicht hintereinander nach gut 6 Kilometern

 

Schon im Vorfeld war klar, dass Eva Dieterich (LAV Stadtwerke Tübingen) den Streckenrekord von Thea Heim (1:14:23 aus dem Jahre 2022) unterbieten könnte, denn ihre 1:08:26 vom Oktober letzten Jahres in Valencia ist die vierschnellste Zeit im DLV. Begleitet von 5 Männern "schwebte" sie nach Kilometer 6 an mir vorüber. Als Gesamtvierte ließ sie mit 1:09:02 alle Begleiter hinter sich. Damit ist Eva Dieterich die schnellste Frau, die in den 50 Jahren über die Kandeler Superstrecke geflitzt ist.

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Teamkamerad Christian vom Hagen (1:09:10), Tom Holzmann (1:09:15/LLG Wonnegau), Dustin Karsch (1:09:16/LSV Münster) und der Tübinger Felix Otto (1:09:29) folgten dicht hinter ihr.

Eva Dieterich noch mit 5 Begleiter, die später alle hinter ihr im Ziel sind Eva Diederich auf dem Weg zur Wende

 

Eines der größten deutschen Talente ist Lisa Merkel, die auch nach Tübingen gewechselt hat. Letztes Jahr hatte sie in Kandel noch ihre Mutter in 1:31:10 durch den Bienwald begleitet. Sie ist zwar schon seit 2014 in der Athletendatenbank zu finden, so richtig durchgestartet ist sie aber erst 2024 mit sub 32 über 10.000 m auf der Bahn.

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Erst etwa auf Position 20 laufend überholte sie Mann um Mann und lief als Gesamtneunte im zweiten Halbmarathon mit 1:10:11 mitten in die deutsche Elite hinein. Mit Antonia Schiel als 3. Frau erzielten die Tübinger eine starke Mannschaftsleistung. Beim schweren Nikolauslauf konnte sie letzten Dezember als Zweite mit 1:20:16 ein starkes Debüt liefern, ihre 1:15:50 auf schneller Strecke kamen also nicht überraschend. Die starken Ergebnisse der Frauen unterstreichen Saskia Haug (1:18:31/LG Region Karlsruhe), Pia Symanowski (1:20:07/LAV Stadtwerke Tübingen) und Caroline Grauer (1:21:11/ LG Region Karlsruhe) auf den Plätzen vier bis sechs.

Lisa Merkel (2. HM) startet ihre Aufholjagd im letzten Drittel des Rennens Die Gesamtdritte HM Antonia Schiel bietet einer Männergruppe Windschatten

 

Wie die Jungfrau zum Kind kam Benjamin Pfrommer (LG Calw) zum Rekord. Kurzfristig hatte er die Startnummer seines erkrankten Schwagers übernommen und da Bruder Matthias gleiches Glück hatte, machten sie sich auf die Jagd nach dem 23 Jahre alten Kreisrekord Calw, den Triathlet Uwe Widmann mit 1:10:23 hielt. Einträchtig miteinander laufend bemerkte Benjamin, dass ihr Vorhaben zum Scheitern drohte und so setze er sich nach vorne ab. Mit 1:10:14 als Gesamtelfter beendete er seine Mission erfolgreich. Bruder Matthias, den ich sogar etwas stärker eingeschätzt hatte, verbesserte sich um 12 Sekunden auf 1:11:57 und konnte sich mit Platz eins in der M40 trösten.

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Dustin Karsch, hier noch Vierter, muss sich am Ende mit einer Sekunde Rückstand als 6. Mann HM zufrieden geben
Hinter dem 12. Alexander Hirschhäuser läuft Matthias Pfrommer vor Bruder Benjamin (beide im blauen Trikot), der später Kreisrekord läuft

Stellvertretend für die hervorragenden Leistungen der Altersklassenläufer sei die Tübingerin Nicole Schwindt genannt. Ihr Ziel war der Deutsche Rekord W65 (1:34:51) von Karin Risch aus dem Jahre 2011. Bis Kilometer 18 lag sie noch im Zeitplan, dann bremsten ein leichter Gegenwind und die nun stärkere Sonneneinstrahlung ihr Tempo. Mit 1:35:33 und mehr als 33 Minuten Vorsprung in der W65 verfehlte sie ihr Ziel äußerst knapp.

Noch auf Kurs Deutscher Rekord W65: Nicole Schwindt mit Begleiter Gerold Knisel (4. M65) Im Stadion ist klar: Nicole Schwind verpasst den Deutschen Rekord W65 ganz knapp

Entwickelt sich der Halbmarathon immer mehr zum Testlauf der nationalen und regionalen Spitzenläufer, leidet der Marathon seit vielen Jahren an der geänderten Trainingseinstellung der meisten Wettkämpfer. War früher das Wintertraining als Grundlage die wichtigste Phase der Wettkampfvorbereitung, so liest man heute in vielen Fachzeitschriften, dass man in der kalten Jahreszeit dem Körper Zeit zur Regeneration lassen solle. Dementsprechend können die Ergebnisse auf der langen Distanz schon lange nicht mehr denen der halben Strecke das Wasser reichen. Dass gerade mal 10 Männer unter 2:50 blieben und immerhin 3 Frauen die Dreistundengrenze unterboten soll die Leistungen der Einzelnen auf keinen Fall schmälern, zeigt aber, dass die große Breite im Spitzenbereich in der Pfalz nicht mehr erreicht werden wird. Dabei könnte sich die Strecke durchaus mit Sevilla, Chicago oder Berlin messen, was Dieterichs Leistung beweist.

Der Marathonführende Daniel Krasucki O`Dowd (3003) aus Edinburgh in Begletung von zwei Halbmarathonläufern Daniel Krasucki O`Dowd rettet sich auf dem letzten Kilometer gerade noch zum Gesamtsieg

Den Zwischenzeiten entsprechend, die ich bei den Liveergebnissen aufgerufen hatte, durfte man den Führenden knapp unter der 2:30 Marke erwarten. Doch Daniel Krasucki O`Dowd aus Edinburgh konnte sein schnelles Tempo leider nicht beibehalten und verlor auf der zweiten Hälfte 6 Minuten. Manuel Hartweg (LG Rülzheim) hatte sich sein Rennen wesentlich besser eingeteilt, er verlor nur eine knappe Minute und kam am Ende dem Schotten immer näher. Der rettete sich im Stadionrund mit 2:33:52 knapp als Sieger ins Ziel, gerade mal 10 Sekunden später konnte sich Hartweg mit 2:34:02 als Pfalzmeister bejubeln lassen. Er wurde im letzten Jahr sensationell Deutscher Meister im Ultratrail (70 Kilometer, 3.000 Höhenmeter, 6:47:55 Stunden), nachdem ihm erst kurz vor Meldeschluss ein Startpass ausgestellt worden war.

Pfalzmeister Manuel Hartweg verpasst den Marathonsieg nur um 10 Sekunden Exradfahrer Simon Huber (links auf der Überholspur) landet auf Rang 3 beim Marathon Manuel Fischer sichert sich Platz 4 beim Marathon

Mit knapp 4 Minuten Rückstand folgte Simon Nuber (2:37:55/SG Niederwangen). Nach meinen Recherchen ist er ein früherer Radspezialist, der sich wie so viele seiner Sportkameraden dem weniger zeitraubenden Laufsport zugewandt hat. Der Allgäuer hat schon diverse Rennen auch in der Pfalz bestritten. Besonders muss man den Gesamtsieg beim steilen Hochgratberglauf in Oberstaufen hervorheben. Über seine Marathonvergangenheit habe ich nichts gefunden, ich nehme an, dass er in Kandel sein erfolgreiches Debüt gegeben hat.

Die nächsten Plätze belegten relativ dicht hintereinander Manuel Fischer (2:45:25/Laufteam Rennwerk), Marius Klein (2:45:42/Kölner Triathlon Team) und Tien-Fung Yap (2:45:49/BSG Mainz). Der Mainzer ist fast vollständig blind und benötigt einen Guide. Er hat schon viele Rennen bestritten und seine Leistung ist besonders erwähnenswert.

Der stark sehbehinderte Tien Fun Yap (6. Marathon) auf dem ersten Kilometer mit seinem Guide

Alicia Koßmann stammt aus einer Lauffamilie, Vater Olaf war selbst ein überragender Langstreckenläufer, genau wie Onkel André. Siehe Porträt LaufReport . Sie hat schon mit 16 Jahren ohne viel Training ihren ersten Zehner bestritten, sich von Jahr zu Jahr verbessert aber erst nach der Coronazeit ist ihr der richtige Durchbruch gelungen mit 35:44 über 10 Kilometer und letztes Jahr in Kandel mit starken 1:17:35 im Halbmarathon. Den Lauf am Sonntag startete sie im Viererschnitt und lag mit 1:24:07 auf Kurs 2:48. Wie der Männersieger verlor sie aber auf der zweiten Hälfte etwa 6 Minuten und hatte trotz leichtem Laufstil merklich mit der langen Distanz und der Sonneneinstrahlung zu kämpfen. Mit 2:54:35 gelang ihr aber ein grandioser Einstieg und ein überlegener Gesamtsieg auf der Marathonstrecke. Sollte sie Feuer gefangen haben, können wir in den nächsten Jahren noch erhebliche Steigerungen dieser Marke erwarten.

Noch elegant laufend aber doch merklich müde: Marathonsiegerin Alicia Koßmann auf dem letzten Kilometer Margit Klockner bei Kilometer 41 noch Dritte, stürmt bis ins Ziel noch mit 30 Sekunden Vorsprung auf Platz zwei Die Marathondritte Chiara Schlechter bei Kilometer 41 noch an Position 2
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Margit Klockner hatte sich ihr Rennen brillant eingeteilt, verlor gerade mal 26 Sekunden auf der zweiten Hälfte und beendete das Rennen mit 2:57:26. Noch einen Kilometer vor dem Ziel lag Chiara Schlechter deutlich auf Platz zwei, musste dann aber die Frau aus Halsenbach an ihr vorbeirauschen lassen und belegte mit 2:57:59 Rang drei. Beide Sportlerinnen besitzen wohl keinen Leichtathletikstartpass. Margit Klockner ist aber erfolgreiche Triathletin und Ultraläuferin, gewann unter anderem auch den schwierigen Hundsrückmarathon in Rekordzeit von 2:56:43, siegte in Kandel 2022 und wurde ein Jahr später mit 2:55:49 Zweite. Mit größerem Abstand folgten mit Alisa Buhn (3:11:05), Claudia Zierlinger (3:14:49) und Dorothea Wölfl (3:16:08) weitere vereinslose Athletinnen.

Wie sehr die Pfälzer ihren Kandel Marathon schätzen kann man daran sehen, dass der Ministerpräsident des Landes, Alexander Schweitzer, beim Start anwesend war und eine alte Tradition aufrecht erhielt, die zu "unserer Zeit" Kurt Beck begründet hatte. Zusammen mit dem "Vater des Kandellaufes, Roland Schmid gab er den Startschuss ab. Nach dieser gelungenen Veranstaltung muss es uns für die nächsten 50 Jahre Marathon Kandel nicht bange werden. Vielleicht doch, wenn die lange Strecke in Vergessenheit käme und nur noch der Halbmarathon sämtlich Grenzen sprengen würde.

Bericht und Fotos von Günter Krehl

unter

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