27.1.24 - 24. 50 km Ultramarathon des RLT RodgauRodgau ganz und gar nicht monoton |
von Thomas Disser |
Informationen zum Lauf 2025 - siehe Ankündigung im WO LÄUFT`S WIE? |
Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Musikalisch sind die lokalen Rock-Helden der Rodgau Monotones in der Region schon über 40 Jahre unangefochten populär. Andere mögen sie vielleicht nicht, Geschmacksache eben. Genauso auch im läuferischen Bereich. Für manchen sind Runden-Läufe keine runde Sache. Für die über 540 Laufhelden, die für den 24. Rodgauer 50 km-Ultramarathon bereits auf der Voranmeldeliste notiert sind, sehr wohl.
462 Teilnehmer starten an der Freizeitanlage Gänsbrüh, 307 laufen die kompletten 50 Kilometer |
Ausführliche und einladend präsentierte
Laufankündigungen im LaufReport HIER
|
---|
Fünf Kilometer, an sich eine überschaubare Strecke, kann man hier zehnmal absolvieren und hat einen Ultramarathon in der Läufervita stehen. Für - auf die Helferzahl bezogene - kleine Veranstalter ist das fraglos die einzige Möglichkeit, einen Lauf über 50 Kilometer durchzuführen. So lässt sich eine bestens bestückte Verpflegungsstelle anbieten, an der jede Läuferin und jeder Läufer eben alle fünf Kilometer vorbeischaut. Bei der Dauer der Veranstaltung von über 6 Stunden werden zwischendurch sogar die Helfer per Schichtwechsel abgelöst. Eine Win-Win-Situation für alle Seiten.
LuT Aschaffenburg heute eine der größeren Gruppen | Schwarz, aber keineswegs in Trauer, die Lauf-Community von Willpower: deutschlandweit von München bis Hamburg, trifft sich in der Mitte - in Rodgau |
Dazu kommt die für Top-Läuferinnen und -Läufer gute Möglichkeit der Unterstützung durch eigene Betreuer mit einmal aufgebautem Support-Tisch, die nicht ihren Laufhelden hinterherreisen müssen. So dürfte auch zu erklären sein, warum sich der Rodgauer 50-km-Ultramarathon seit dem ersten Lauf im Jahr 2000 zu dieser Teilnehmerstärke und dem sportlichen Level entwickelt hat. Auch der Termin tut sein Übriges. Eine Kollision mit anderen Langstreckenveranstaltungen ist unwahrscheinlicher als zu Zeiten ab dem Frühjahr. In den Sommer will man schon gar nicht mehr, nach den Erfahrungen mit der pandemiebedingten Verlegung im Juni 2022 und dem heißesten Tag des Jahres. Nun also die bereits 24ste Austragung im Jahr 2024 zur richtigen Jahreszeit.
Start zum 24. Rodgau-Ultramarathon | M60 flott dabei: Lothar Esser (290) wird Erster, Michael Sommer (rote Jacke) Zweiter |
Die Streckenrekorde liegen auf hohem Niveau. Benedikt Hoffmann schraubte 2018 die Zeit für ambitionierte Herren auf 2:56:18 Stunden. Bei den Damen wurde die Zeit 2016 von Tinka Uphoff auf 3:32:41 Stunden gehoben. Kommt in diesem Jahr eine Läuferin oder ein Läufer an diese Zeiten? Schaun wir mal, wie der Kaiser zu Lebzeiten gesagt hat. Die Bedingungen sind perfekt. Zum Startschuss und den Begrüßungsworten des Bürgermeisters Max Breitenbach sind knapp über Null Grad und Sonnenschein. Selbst das öfters mal matschige Stück nahe des Opel-Prüffeldes ist heute top. Der Rest ist fifty-fifty asphaltiert oder auf gut zu laufenden Waldwegen, mit einer Miniatur-Steigung Kilometer vier eine flott zu laufende Angelegenheit.
An der gut bestückten Verpflegungsstelle kommen wir bis zu zehnmal vorbei | Jeweils 50%: Waldwege und Straße, Sonne und Schatten |
Während die meisten Laufhelden den Startschuss vor lauter Plauderei kaum hören, setzt sich die Spitze schon flott in Bewegung. Oliver Fischer vom TV Schriesheim, Jahrgang 1998 und damit einer der Jüngeren in der Ultralaufszene, setzt sich schon bei km 1 vom Feld ab und rennt die ersten 5 Kilometer in rekordverdächtigen 17:11 Minuten. Immerhin bleibt er bis Kilometer 30 jeweils unter 18 Minuten. Dann muss er zwar etwas Federn lassen. Dennoch kann er seine bisherige 50-km-Zeit um über 11 Minuten verbessern. Auch wenn die im Zielbereich anwesenden Zuschauer den Sieger gerne unter der 3-Stunden-Schallmauer gesehen hätten, rennt die Zeituhr weiter und bleibt für Oliver Fischer bei 3:00:33 Stunden (Bruttozeit) stehen.
Auf der Begrüßungsmeile gibt es heute keine Staus | Kaum ist die erste Runde geschafft, hat der Führende Oliver Fischer bereits zwei Runden hinter sich |
Der zweite Rang bleibt über den gesamten Rennverlauf ebenfalls immer beim gleichen Läufer. Der aus Estland stammende und in Heidelberg tätige M40-Läufer Alla Raivo startet für den EMBL Running Club, läuft sehr konstante schnelle 18er Runden und kommt gegen Ende des Rennens sichtbar dem Führenden näher. Letztlich bleibt er mit 3:01:36 Stunden nur eine Minute hinter dem Sieger.
Zwar mit etwas Abstand, aber in gleichermaßen spannendem Verhältnis werden die Plätze 3 und 4 vergeben. Björn Sturm von Ideale-Gerade.de hat zur Rennhälfte fast 5 Minuten Vorsprung auf den Nächstplatzierten. Dieser schrumpft auf knapp eine Minute zusammen. Dennoch setzt er sich in 3:20:47 Stunden auf Platz drei. Daniel Ripke von der TSG Maxdorf, ebenso wie Sturm in der M40 startend, wird schließlich mit 3:21:38 Stunden im Ziel gewertet.
Ähnlich nahe sind die Endzeiten der Plätze 5 und 6, allerdings mit unterschiedlichem Rennverlauf. Henning Lenertz (M35), heuer für Willpower startend, in der Laufszene als Redakteur der Zeitschrift "Runnersworld" bekannt, ist anfangs deutlich schneller und bis Kilometer 30 über sieben Minuten vor Florian Kaltenbach (M45) von Spiridon Frankfurt. Florian hat allerdings einen perfekten Tag und kann die zweite Rennhälfte über zwei Minuten schneller und erstmals unter 3:30 Stunden laufen. Am Ende sind es 3:28:03 Stunden für Florian und 3:28:59 Stunden für Henning. Zwei neue PBs, wobei Henning erstmals die flachen 50 km läuft, aber ebenso wie Florian schon einige deutlich längere Strecken gemeistert hat.
Über die Favoritin ist man sich schon im Vorfeld einig. An Katrin Ochs (W45) von der LG Filder kommt derzeit wohl niemand vorbei. Die letzten beiden Ausgaben des Rodgauer Ultramarathons hat sie gewonnen, darunter auch das Hitzerennen von 2022. Sie ist aber bei jedem Wetter schnell, wie sie auch heute beweist. Von der ersten bis zur letzten Runde bleibt der Rad-Vorausfahrer "1. Frau" bei ihr. Kein Zweifel an ihrem heutigen Sieg, schaut man auf ihren Laufstil und den Gesichtsausdruck, als sie bei km 40 die vorletzte Runde beginnt und die Zuschauer ihr schon jetzt applaudieren. Mit gleichmäßigen 22er Zeiten pro Runde und jeweils einer 21- und 23er Zeit kommt Katrin am Ende auf 3:44:28 Stunden.
Die Plätze zwei bis vier gehen an die gleiche Vereinsadresse: Spiridon Frankfurt, der größte hessische Laufverein, ist nicht nur zahlenmäßig eine große Laufgruppe beim Rodgauer Ultramarathon. Heute wird richtig abgeräumt bei Mannschafts- und Einzelwertungen. Den Anfang bei den Damen macht Irena Ambrozova (W35), die bei ihrem ersten flachen 50er nach glatten 3:47 Stunden das Zeitmess-System von R.S.T. Volkslauf.de auslöst. Sie ist die meiste Zeit mit Vereinskameradin Nadine Stillger unterwegs, die in neuer persönlicher 50er-Bestzeit nach 3:48:40 Stunden als Dritte Frau gewertet wird. Doch damit nicht genug: Mona Winter, ebenfalls von Spiridon Frankfurt, wird vierte Frau in 3:57:19 Stunden. Mona pulverisiert damit auch ihre erste 50-km-Zeit, die sie 2016 an gleicher Stelle mit 4:25 Stunden aufstellte.
Die Plätze fünf und sechs sind ebenfalls bemerkenswert. Lisa Mehl (W35) und für Willpower startend, hat trotz ihres jungen Alters schon jede Menge Langstrecken-Lauferfahrung. Besonders im Trailrun-Bereich. Höhepunkte sicher die UTMB-Teilnahme, oder der Sieg der Damenwertung beim Transalpin-Run 2017 über 7 Tage und 250 km gemeinsam mit ihrer Lauffreundin Manishe Sina. Sie kann aber auch flach und schnell und 2:57 Stunden beim Marathon laufen. Heute im Kreis ihrer Willpower-Community hat sie großen Spaß und läuft sehr gleichmäßig als fünfte Frau in 3:57:53 Stunden ins Ziel an der Waldfreizeitanlage Gänsbrüh.
Völlig konträr, aber nicht minder bemerkenswert, Platz sechs bei den Damen: Agata Krafczyk-Möhring (W40) vom Einbecker SV. Sie ist bisher nur auf kürzeren Strecken unterwegs und hat noch keinerlei Marathon-Erfahrung. Trotzdem traut sie sich heute auf die 50-km-Strecke. Dabei schafft Agata das Kunststück, ihren ersten Ultramarathon unter der 4-Stunden-Schallmauer zu finishen. Bei genau 3:59:54 Stunden stoppt die Uhr von Michael Dorsch's Zeitmess-System, was der Athletin Freudentränen in die Augen treibt. Emotionen pur im Ziel.
Doch nicht nur an der Spitze des Feldes werden sensationelle Leistungen gezeigt. Die Deutsche Ultramarathon-Vereinigung, kurz DUV, muss nun ihre Bestenliste um eine weitere Altersklasse erweitern. Bisher gab es keinen Athleten der M85 und 50 Kilometern. Aber jetzt gibt es einen Läufer. Und was für einen.
Werner Stöcker, Jahrgang 1939, für die LG Wittgenstein startend, erster Läufer der Altersklasse M85 über 50 Kilometer in Deutschland. Ab 2009 taucht Werner in der DUV-Statistik auf. Allerdings mit häufig längeren Strecken bis hin zu 24 Stunden. Seit er damals in der M70 mit Ultralauf begann, steht er fast immer auf Platz 1 der jeweiligen AK. Einzig im vergangenen Jahr, seinem letzten in der M80, war ein Läufer bei der DM über 50 Kilometer schneller, also blieb "nur" Platz 2 für Werner. Nun werden die Karten in der M85 neu gemischt.
Mit recht gleichmäßigen Rundenzeiten ist Werner in leichtfüßigem, lockerem Laufstil unterwegs. Man sieht ihm dabei die Geschwindigkeit nicht an. Mit rund 6 Minuten pro Kilometer startet er seinen Rekordlauf bis etwa zu Rennhälfte. Dann lässt er es etwas ruhiger angehen, wobei er bis km 40 die 5-km-Runde in 33 Minuten schafft. Die letzten beiden Runden kommt nur wenig Zeitzuschlag hinzu. Ansonsten wäre es nicht zu einer Finisherzeit von 5:23:30 Stunden gekommen. Eine Zeit, mit der er nicht nur heute über 70 jüngere Läuferinnen und Läufer hinter sich lässt. Ein neuer Deutscher Rekord in einer neuen Altersklasse!
Für einen neuen 50-km-Weltrekord - der bisherige für die M85 bei der IAU steht bei 7 Stunden - ist Werner noch etwas zu jung. Die IAU zählt das Geburtsdatum und nicht den Jahrgang, daher ist dieser Rekord nur national gültig.
Zahlreiche AK-Siegerehrungen von der WHK: v.l. 2. Lena Petermann, 1. Noemi Diebold, 3. Lea Behler | bis M85: Werner Stöcker von der LG Wittgenstein |
Die Siegerehrung in der gut gefüllten Sporthalle wird nach 16 Uhr wie geplant zügig durchgeführt. Weit angereiste Laufhelden sind zwar schon auf dem Heimweg, dennoch ist die Atmosphäre stimmungsvoll und die zu Ehrenden werden mit reichlich Applaus bedacht. Besonders groß ist dieser bei Werner Stöcker, völlig zu Recht. Wann hat man schon mal einen Weltklasse-Athleten in seinen Reihen? Dass muss gefeiert werden.
Ausführliche und einladend präsentierte
Laufankündigungen im LaufReport HIER
|
---|
Der Rodgau-Lauftreff von 1983 oder kurz RLT hat nach nunmehr 41 Jahren Vereinsleben und 24 Ultralauf-Veranstaltungen allen Grund zur Freude. Der diesjährige 50er ist Geschichte, alles ist bestens gelaufen und im nächsten Jahr darf ein schönes Ultralauf-Jubiläum gefeiert werden. Die treuen Läuferinnen und Läufer halten sich den letzten Samstag im Januar bestimmt frei. Neue sind sowieso herzlich willkommen.
Bericht und Fotos von Thomas Disser Ergebnisse www.volkslauf.de Infos ultra.rlt-rodgau.de Zu aktuellen Inhalten im LaufReport HIER |
© copyright
Die Verwertung von Texten und Fotos, insbesondere durch Vervielfältigung
oder Verbreitung auch in elektronischer Form, ist ohne Zustimmung der LaufReport.de
Redaktion (Adresse im IMPRESSUM)
unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes
ergibt.