Laufen, Schauen, Denken

Sonntags Tagebuch

Eintragung vom 27. Dezember 10

Ob man nun eine scharfsinnige Analyse anstellt oder eher flüchtig zurückdenkt, – der Jahresschluß ist die Zeit auch der persönlichen Läuferbilanz. Sind Hoffnungen erfüllt, Erwartungen enttäuscht worden? Was sind Höhepunkte gewesen, was Tiefpunkte? Welche Änderungen sind eingetreten? Gerade wer Sport treibt, ist vor allzu individuellen, sprich: beschönigenden wie pessimistischen Einschätzungen bewahrt. Sport hat zwar auch starke psychische Inhalte, aber man kann nicht mogeln. Leistungen, Wettkampf-Ergebnisse oder auch nur der Blick auf die Armbanduhr, bewahren Läufer vor groben persönlichen Fehleinschätzungen. Sport ist der Weg zum realitätsgerechten Urteil über die individuelle Leistung.

So gesehen, bin ich im zurückliegenden Jahr alt geworden. Älter wird man ein Leben lang; den Beginn des kalendarischen Alters kann man wohl mit dem Eintritt in den sogenannten Ruhestand gleichsetzen. Insofern bin ich also schon einen ganzen Lebensabschnitt lang ein alter Mensch. Nach dem 80. Lebensjahr jedoch vollzieht sich der Alternsprozeß ganz rapide, wie ich an mir beobachtet habe. Im Jahr 2008 konnte ich einen Marathon noch durchgehend laufen, im Jahr darauf wenigstens einen Halbmarathon noch. Im Jahr 2010 habe ich zwei Marathons und einen Ultramarathon zurückgelegt, jedoch nur noch im Gehschritt. Darauf also bezieht sich meine Äußerung über mein Leistungsvermögen.

Dieser Alterungsprozeß muß nicht so verlaufen. Als Josef Galia, der damals wohl älteste deutsche Marathonläufer, zu seinem 90. Geburtstag eine 10-Kilometer-Runde trabte, bin ich mitgelaufen. Im Jahr 2010 ist mir klar geworden: Josef Galias Leistung kann ich schon jetzt nicht mehr vollbringen. Und andere in meinem Alter wohl auch nicht. Und die 100 Kilometer, die Dr. Adolf Weidmann auch im 90. Lebensjahr noch zurückgelegt hat, kann ich schon deshalb nicht schaffen, weil ich nicht wie er 24 Stunden zur Verfügung habe, sondern nur 21.

Kein Wehklagen! Man muß ja nicht nur auf die Spitze schauen. Blicke ich nach unten, bin ich vergleichsweise noch gut dran. Es gibt noch Strecken, zumindest Walkingstrecken, die ich im Gehschritt zurücklegen kann. Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich zwar verlängert, aber es gibt nicht wenige Sportkameraden, die das 85. Lebensjahr nicht mehr erreicht haben. Ich habe keinen Anlaß, unzufrieden zu sein, wenn ich auch auf Schritt und Tritt mein Alter spüre.

So gehe ich, wenn auch vielleicht ein wenig resigniert, optimistisch in das Jahr 2011. Doch mit dieser Haltung werde ich nicht der einzige sein.

Eintragung vom 20. Dezember 10

Weiße Weihnachten? Wie immer sich das Wetter zu Weihnachten gestaltet, wir haben seit Wochen weiße Weihnachten. Schnee fürs Gemüt. Für unseren Alltag brauchen wir ihn nicht; er bringt ihn durcheinander. Chaotische Zustände auf der Autobahn, Streusalz wird knapp, hundertweise gestrichene Flüge, überfüllte, verspätete, wenn nicht liegengebliebene Eisenbahnzüge, ja, und Laufveranstaltungen abgesagt, auch der Siebengebirgsmarathon, in dem ich eine Alternative zu dem wegen der teuer gewordenen Hallenbenützung verschobenen Advents-Waldmarathon in Bad Arolsen gesehen habe.

In der Abstimmung von LaufReport, in Runner's Vote, artikuliert sich das Problem, die Beeinträchtigung des Trainings. Jedoch, von den bisher abgegebenen wenigen Stimmen reduziert nur ein Drittel stark das Training, angeblich niemand läßt das Training ganz ausfallen, über 40 Prozent haben gar Spaß an den winterlichen Laufverhältnissen. Ich bin allerdings diesen Angaben gegenüber mißtrauisch. Zumindest spricht meine Beobachtung auf meiner Trainingsstrecke dagegen. Ob die wenigen Läufer, denen ich begegne, Spaß haben, kann ich nicht beurteilen. Ich selbst habe mein Training als Walker stark reduziert, gehe nur jeden zweiten Tag auf die Strecke und habe obendrein das Training auf 8 Kilometer verkürzt. Vergnügen habe ich daran nicht. Mein Leistungsvermögen ist zurückgegangen und der Atem spürbar kürzer geworden, ich bin zu langsam.

Ich sollte aufschreiben, in welcher Garderobe ich an kalten Tagen gehe. Ich ziehe mir zum Walking an: Ein langärmeliges synthetisches Unterhemd von Craft, eine Unterhose, ein Angorahemd, eine Angora-Unterhose, ein Laufhemd von Odlo, ein Strickhemd und einen gefütterten Trainingsanzug. Keine Rede von drei Schichten, – fünf sind es! Dazu wollene Kniestrümpfe und knöchelhohe Wanderschuhe, eine wollene Mütze, die Ohren und Hals bedeckt, und gefütterte lederne Skihandschuhe. Nach anderthalb Stunden das Ganze wieder ausziehen!

Mag ja sein, daß es viele ambitionierte Läufer gibt, die den Winter als neue Herausforderung betrachten. Vielleicht stimmt die Quantität noch. Doch die Qualität des Trainings wird beeinträchtigt. Nicht, daß ich nun gequält aufseufzte! Laufen ist für mich nie "Arbeit" gewesen, immer allein Hygiene und Herausforderung. Ich kann daher gut verstehen, daß Läufer auch die jetzige Witterung als Herausforderung empfinden können.

Die Herausforderung erfordert Anpassung. Wenn wir sicher sein könnten, daß auch die kommenden Winter Winter sein würden, dann müßte man fordern, daß die Wege nicht mehr geräumt, sondern gespurt werden, auf daß wir unsere Langlaufstrecken auf Ski zurücklegen können.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

Eintragung vom 14. Dezember 10

Sagen wir es zurückhaltend und verzichten auf den vielleicht möglichen Superlativ: Der GutsMuths-Rennsteiglauf ist eine der Laufveranstaltungen, die seit Jahrzehnten publizistisch intensiv begleitet wird. Bedenkt man, wie schwer es der Lauf in der ehemaligen DDR hatte, wundere ich mich noch immer, daß es zu der 1982 erschienenen seriösen Buchveröffentlichung "Rennsteiglauf. Historische, soziologische, sportmedizinische und trainingsmethodische Aspekte " im Sportverlag Berlin kommen konnte. Zehn Jahre später, in nun unvergleichlich besserer Ausstattung, erschien "Faszination Rennsteiglauf". Die Reihe "Who is who" personalisiert die Veranstaltung. Sicher hat Dr. Hans-Georg Kremer, einer der Erstläufer von 1973, einen wichtigen Anteil an Publikationen über den Rennsteiglauf. Doch Hans Ziems zeigt mit "Eigensinn versus Systemzwang im ostdeutschen Breitensport. Der Rennsteiglauf als Medienthema und Symbol der Wende" (2006), daß der Rennsteiglauf attraktive Themen nahelegt. Das jüngste Produkt ist der soeben angebotene Band "Alle Rennsteiglaufsieger von 1973 bis 2010 in Wort und Bild vorgestellt". Der Herausgeber, Dietmar Knies, hat eine besondere Affinität dazu, hat er doch selbst den Supermarathon viermal gewonnen.

Dietmar Knies in Leipzig, den Hans-Georg Kremer in seinem Vorwort als den Redakteur des DDR-Blattes "Laufbewegung" und als Korrespondent des Laufmagazins "Spiridon" hervorhebt, hat es unternommen, den Siegern der Rennsteigläufe Supermarathon, Marathon und Halbmarathon standardisierte Fragen zu stellen. Das Ergebnis legt er nun in einem 168 Seiten starken Band vor. Das ist nun zwar kein unterhaltsames Profil wie "Faszination Rennsteiglauf", sehr wohl aber eine Dokumentation, die auch einiges über die Persönlichkeit der Sieger aussagt.

 

Die Fragen, die Dietmar Knies gestellt hat: Was hat Dich seinerzeit bewegt, am Rennsteiglauf teilzunehmen? An wie vielen Rennsteigläufen hast Du insgesamt teilgenommen? Wie intensiv hast Du Dich auf den Rennsteiglauf im Jahr des ersten Sieges vorbereitet? Was haben Dir die Siege auf dem Rennsteig damals bedeutet? Wie siehst Du diese Leistungen im Abstand von mehreren Jahren? Hättest Du Dir einen Sieg auch auf einer anderen Strecke auf dem Rennsteig vorstellen können? Wie gehst Du mit "Niederlagen", nicht nur auf dem Rennsteig, um? Bist Du heute noch aktiv? Was kannst Du anderen Läufern für Tipps für den Lauf auf dem Thüringer Kammweg geben? Was ist für Dich, unabhängig von Deinem Sieg, die eigentliche "Faszination Rennsteig"? Die Texte sind jeweils illustriert mit einem Photo des Siegers oder der Siegerin aus dem gewonnenen Lauf und einem aktuellen Bild.

Die einen haben sich sorgfältig auf ihren erfolgreichen Lauf vorbereitet, für die anderen wiederum war der Lauf die Vorbereitung auf eine andere Herausforderung. Auffallend ist die relativ hohe Zahl von Mehrfach-Siegen – ein Indiz dafür, daß der GutsMuths-Rennsteiglauf vor allem Menschen anzieht, die eine Affinität zu den Landschaftsläufen dieser Veranstaltung, insbesondere dem Supermarathon, haben. Birgit Lennartz hat die lange Strecke innerhalb von 16 Jahren achtmal gewonnen. Der knappste Sieg ist mit sieben Sekunden Vorsprung erlaufen worden. Vergleichen kann man die Spitzenleistungen, die seit 1975 gemessen worden sind, nur schwer; die Streckenlängen haben verschiedentlich gewechselt.

Auch dieser Band, den man vom Herausgeber beziehen kann, ist ein Beitrag zur Profilierung des Rennsteiglaufs.

Eintragung vom 6. Dezember 10

Das Wetter ist immer ein Laufthema. So habe ich am Samstag diese Eintragung begonnen. Doch dann am Samstagabend „Wetten, daß...“ Ich gestehe, daß dies bisher die einzige Unterhaltungssendung im Fernsehen ist, die ich mir fast regelmäßig anschaue. Und ich tue das ohne schlechtes Gewissen. Das Konzept der Sendung spricht mich an, und in dem langjährigen Moderator Thomas Gottschalk respektiere ich einen talentierten, sympathischen Könner. Immer wenn Sänger auftreten, die nicht singen können – das ist bei „Wetten, daß...“ nach meinem Geschmack wohl jedesmal der Fall – oder Bands, deren Show-Gebaren mir auf die Nerven geht, suche ich das Klo auf oder hole mir etwas zu trinken. Ich gehöre also zu den, wie es heißt, 10 Millionen Menschen, die am Samstagabend vor dem Fernsehgerät saßen und das ZDF eingeschaltet hatten. 10 Millionen Menschen waren Zeugen des schweren Unfalls, der sich bei der ersten Wette ereignet hat und zum Abbruch der Sendung führte.

Wer sich nun darüber beklagen sollte, daß ein Laufkommentator, Laufchronist, Lauf-Urgestein oder wie immer ich gesehen werden sollte, über „Wetten, daß....“ schreibt, dem entgegne ich: Für etwa 10 Millionen Menschen ist dieses Unglück Gesprächsthema gewesen. 10 Millionen Menschen sind doppelt so viele Zuschauer, wie die Sportschau verzeichnet; sie sind ein Mehrfaches, wenn nicht Vielfaches der Menschenzahl, die als Teilnehmer, Zuschauer und Organisatoren eines beliebten Marathons in Erscheinung tritt. Ein Ereignis wie dieses sollte Anlaß sein, über den Zaun zu blicken, eingedenk der Relativität dessen, was wir treiben.

Nicht nur in der Namensverwandtschaft von Wettläufern und „Wetten, daß...“ zeigen sich Gemeinsamkeiten. Sport ist risikobehaftet, wenn auch nicht so stark wie Bewegungsarmut. Anleitungen, Training und Regeln sollen das Risiko mindern. Nicht anders ist es bei den physischen Beanspruchungen der Wettshow. Mag sein, daß jetzt darüber diskutiert wird, wie gefährliche Wetten entschärft werden können. Doch das Restrisiko bleibt. Wir können das Erkennen von Risiken fördern und Risiken mindern, – aber beseitigen können wir sie nicht. Außer daß wir jegliches Risiko, auch jedes Lebensrisiko, meiden. Gewonnen würde damit nichts. Wir sind darauf angelegt, Herausforderungen zu meistern. Das bedeutet auch, daß uns die Meisterung von Risiken fasziniert. Deshalb zum Beispiel gehen wir seit Generationen in den Zirkus. Niemand zwingt uns, eine Woche lang durch die Wüste zu laufen oder am Badwater teilzunehmen, eine Eil-Zugspitz-Besteigung vorzunehmen, 246 Kilometer im Spartathlon zu laufen oder einen Kontinent laufend zu durchqueren. Immer wird es Menschen geben, die solche Herausforderungen lieben und immer neue Herausforderungen ersinnen. Wollte man die ärgsten Risiken im Sport vermeiden, müßte man eine Sportart wie Boxen verbieten und beim Abfahrtsskilauf Geschwindigkeitsbeschränkungen einführen. Doch Geschwindigkeit ist zumal im Zuschauersport die Hauptattraktion. Womit vor allem erfreuen Fernsehsender in Sportsendungen ihre Zuschauer? Mit Boxen, Automobilrennsport und den orthopädischen Belastungstests im Fußball.

Eine Show-Sendung wie „Wetten, daß...“ lebt von Zuschauerbedürfnissen. Im Einzelfall wird, wie jetzt, zu untersuchen sein, ob vor der Unglückswette alle Risiken bedacht worden sind. Grundsätzlich jedoch kann man das Risiko nicht beseitigen. Man muß darauf vertrauen und dieses Vertrauen auf Recherchen bauen, daß diejenigen, die ein Risiko eingehen, wissen, was sie tun, so wie Extremläufer wissen, was sie tun.

Wir bangen, wie wohl alle 10 Millionen Zuschauer von „Wetten, daß...“, um die Gesundheit des Verunglückten. Doch wir erheben keine Vorwürfe. Denn dies wäre Heuchelei.

Kehren wir zum Laufen zurück, zum Lauftagebuch. Wie hatte der erste Satz der Eintragung gelautet? Das Wetter ist immer ein Laufthema. Oder ist es vielleicht keines mehr, weil wir gelernt haben, uns anzupassen? Aber nein, alles, was das Laufen fördert, ist ein Thema; alles, was das Laufen behindert, ist ein Thema. Alles klar?

Wenn sich auf den Fernstraßen Fahrzeuge querstellen und Autofahrern empfohlen wird, eine warme Decke im Auto zu haben, wenn Züge ausfallen und Bahnreisende stranden, wenn in manchen Flughäfen Dutzende von Flügen abgesagt werden, dann sind Schnee und Kälte allemal Gesprächsstoff auch für Läufer. Schon fallen nicht nur Fußballbegegnungen, sondern auch Laufveranstaltungen aus. Ich erinnere mich gut, wie sehr mich der Winter im Februar und März behindert hat. Nun also Winter schon seit Ende November. Wieder habe ich die Laufschuhe beiseite gestellt und gehe in Wanderschuhen. Marianne hat mir ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk überreicht: dicke Wollsocken. Dennoch: Ob ich nun anderthalb oder zweieinhalb Stunden unterwegs bin, – meine Füße werden nicht warm. Möglicherweise bin ich zu langsam. Ich merke ja, daß mich rasche Fußgänger im Nu abhängen. Vielleicht auch sind die kalten Füße eine Alterserscheinung. In Krankenhäusern, die ja nun wirklich wohltemperiert sind, bekommen Patienten, wenn sie unter kalten Füßen leiden, einen dicken Mullverband zwecks Erwärmung.

Ich gestehe auch, daß ich in dieser Woche zwei Ruhetage hintereinander eingelegt und zweimal die Strecke auf anderthalb Stunden verkürzt habe. Ich werde schon etwas neidisch, wenn ich Läufern begegne, die Körperwärme durch ihr Training produzieren. Doch die Zahl der Läufer und der Walker ist erheblich zurückgegangen. Behinderte und Schwache mit ihrem Stützwägelchen, dem Rollator, sehe ich gar nicht mehr. Ich kann zufrieden sein; doch ich muß mir vornehmen, zufrieden zu sein.

Eintragung vom 29. November 10

Na ja, eigentlich hatte ich darüber berichten wollen: den 1. Vollmond-Lauf für Walker. Der Turn- und Sportverein, etwa 2 Kilometer von der Haustür entfernt, hatte dazu für den 21. November eingeladen. Tatsächlich hatte einige Tage zuvor, als ich in die Dunkelheit hinein kam, die fast volle Scheibe des Mondes vom Himmel geglänzt. Doch dann am vollmondigen Tage regnete es, wenn auch leicht. Der Mond? Ach nein, es war eine Straßenlaterne. Der Mond hätte höher stehen müssen. Der Himmel war verhangen. Ich hatte keine Lust, hinaus in die naßkalte Dunkelheit zu gehen. Also warte ich darauf, daß es vielleicht einen 2. Vollmondlauf für Walker geben wird.

Gesprächsthema war, daß es am Mittwoch auch in niederen Lagen schneien würde. Alle redeten davon. Doch der Wetterbericht hatte uns für den Mittwoch zuviel versprochen. Der Steilabfall der Schwäbischen Alb hingegen zeigte am Donnerstag weiße Streifen. Immerhin, das ungewohnte Bild bewirkte, daß ich die Schwäbische Alb, die ich auf den ersten Kilometern von der Trainingsstrecke aus sehen kann, wieder einmal mit voller Aufmerksamkeit wahrnahm.

Der Schnee ereilte uns auf den Fildern bei Stuttgart am Freitag. Am Morgen leuchtete die Winterlandschaft ins Zimmer. Am Samstag ging ich auf die Strecke. Auf dem Weg ins Körschtal hinunter hätte es mich fast hingehauen, ich konnte mich noch auf die Ackerscholle retten. Ich hatte die Wanderschuhe mit der Vibram-Sohle an. In Laufschuhen hätte ich mir in Anbetracht der reduzierten Geschwindigkeit die Füße erfroren. Einem Läufer begegnete ich, der Shorts trug. Mit unbedeckten Knien und Waden, da muß man schon abgehärtet sein, und man sollte tunlichst ohne Pause flott laufen. Ich hingegen merkte deutlich, wie sehr die Kälte an meinem Sauerstoffaufnahmevermögen zehrte.

Am Montag überall hier Winterlandschaft. Der Weg zum Haus unberührt, also muß es geschneit haben, nachdem der Zeitungsausträger hier gewesen war. Meine Walkingstrecke ist zu einem Winterwanderweg geworden. Die ersten Schlitten sind zu sehen.

Alles ein wenig früh, gemessen an früheren Jahren. Doch lieber Ende November Schnee als Anfang April. Bereits zwei Tage nach dem Totensonntag war das erste Tannenbaum-Symbol an einem Fenster zu sehen. Jetzt sind verschiedentlich Lichterketten aufgespannt.

Während ich durch den weichen Schnee wanderte – von Walken keine Rede mehr –, dachte ich an Bad Arolsen. Die "wichtige Mitteilung" auf der Marathon-Seite besagte: "Nicht zu überwindende Schwierigkeiten, die ohne kommunale Unterstützung nicht zu bewältigen sind, lassen die Durchführung des 30. Advent-Waldmarathon am 27. November nicht zu." Die Veranstaltung soll am Pfingstsamstag, dem 11. Juni also, zusammen mit dem Twisteseelauf stattfinden. Das Argument, nun werde man den Marathonläufern ein ganz anderes Landschaftsbild präsentieren, mag ja stimmen. Dennoch gibt mir zu denken, daß es – wieder einmal – an kommunaler Unterstützung fehlt. Zum anderen, einen Waldmarathon kann man verlegen, einen Advent-Waldmarathon hingegen nicht. Immerhin können wir froh sein, daß es im Advent, am 12. Dezember, eine Alternative gibt, den Siebengebirgsmarathon, der vor zwölf Jahren als Konkurrenz empfunden worden war.

Eintragung vom 22. November 10

Was kostet ein nutzloses Buch? Bei Amazon kostet es 3,01 Euro, nämlich 1 Cent für das Buch und 3 Euro Pauschale für Verpackung und Porto. Von drei ebay-Anbietern bekommt man es kostenlos zugesandt, da kostet es jedoch zwischen 3,30 und 4,90 Euro. Die Preise bei Booklooker – neun Angebote – schwanken zwischen 1,80 und 12,02 Euro, jeweils einschließlich Versand. Neu hat das 144seitige Taschenbuch 4,80 Deutsche Mark gekostet, macht aufgerundet 2,40 Euro.

Weshalb um Himmelswillen soll man – noch dazu für einen Preis, der mit einer einzigen Ausnahme über dem Preis der Neuerscheinung liegt – ein nutzloses Buch kaufen? Ein Mißverständnis – ich mache ja keine Reklame für das nutzlose Buch. Ich nenne es, weil es, wie mir scheint, wie kaum ein anderes Buch real seine Nutzlosigkeit bewiesen hat.

Es gibt viele nutzlose Bücher. Jeder Krimi zum Beispiel. Woraus sich bereits ergibt, auch nutzlose Bücher können einen Nutzen haben, sie können unterhaltend oder spannend sein, Emotionen wecken oder informativ für die Entstehung sein. Vom verborgenen Nutzen kann zumindest der jeweilige Autor überzeugt sein.

 

Doch ein Buch in die Hand zu nehmen und zu konstatieren: „Nutzlos!“, das ist ziemlich einzigartig. Mir ist es neulich widerfahren. Ich suchte ein Buch und stieß dabei auf ein Taschenbuch mit dem Titel „Jogging? Nein danke!“ Es handelt sich um die deutsche Erstveröffentlichung – zugleich Letztveröffentlichung? – eines amerikanischen Titels namens „The Non-Runner’s Book“. Die Titelseite des deutschen Taschenbuches trägt den Imperativ „Schluß mit der ewigen Rennerei!“

Ob ein Buch wirklich nutzlos ist, darüber kann man fast immer diskutieren. Bei diesem Buch, als es mir jetzt in die Hand fiel, hat die Zeit das Urteil gefällt: Dieses Buch hat nichts bewirkt, nutzlos eben. Es ist auf Komik angelegt; doch es wirkt nicht mehr komisch, sondern nur noch antiquiert. Der amerikanische Band ist 1978 erschienen, die deutsche Übersetzung ein Jahr später. Man muß sich vorstellen: Es ist spätestens dann geschrieben worden, als Fred Lebow zum zweitenmal seinen Marathon nicht mehr im Central Park, sondern durch die Five Boroughs von New York veranstaltet hat.

Was hat sich in diesen 33 Jahren im Hinblick auf das Laufen nicht alles im Sinn einer Weiterentwicklung geändert! Der Ausbau der Lauftreffs, die Ausdifferenzierung des Laufens bis hin zum Walking, die Ausdehnung der Wettkampfveranstaltungen über die ganze Bundesrepublik, der Markt... Laufen ist zur Alltagskultur geworden. Zwar kann man zum Beispiel Marathon-Teilnahmen in Zahlen erfassen, aber im Hinblick auf die Ausbreitung des Laufens und Walkens ist man auf Schätzungen, und zwar recht unzuverlässige, angewiesen. Allenfalls, wenn man sich in der eigenen Nachbarschaft umschaut, kann man sich ein reales Bild verschaffen. Vor Jahrzehnten wurden Prominente als Vorbilder des Laufens herausgestellt; da konnte es schon mal passieren, daß ich als Chefredakteurs-Stellvertreter zu den Prominenten gerechnet wurde. Heute ist es die Regel, daß Prominente ein Bewegungstraining treiben; erst wenn man eine einschlägige Vita liest, stößt man zufällig darauf: Ach, der X, die Y läuft auch...

Findet es noch jemand komisch, wenn jemand sich dem Bewegungstraining widersetzt? Ach nein, eher tragisch. Der Ratgeber „Jogging? Nein, danke“ hat seit langem schon ausgedient. Das Taschenbuch ist nur eines noch: ein Kuriosum.

Eintragung vom 15. November 10

In professionellen Schuhtests taucht dieses Modell nicht auf; über die Gründe mag man spekulieren. Der Schuh, den ich hier vorstellen möchte, ist ein mindestens acht Jahre altes Modell. Schrott also? Gewiß nicht, eher ein Aushängeschild der Firmenphilosophie. Wir wissen ja, daß nicht wenige Laufschuhmodelle nur aus Marketing-Erwägungen geändert werden. Wer ein, zwei Jahre warten kann, erhält dann das veraltete Modell zu einem erheblich zurückgesetzten Preis.

Dieser Schuh hingegen hat nach wie vor den stolzen Preis von 185 Euro. Umgerechnet waren das einmal 362 Deutsche Mark. Zu D-Mark-Zeiten ging angesichts eines solchen Preises ein Aufschrei durch den Läufermarkt. In Euro-Zeiten hat sich das gelegt, die Gewöhnung ist stärker. Ich habe mir die Schuhe Ende Januar dieses Jahres gekauft.

 

Schon äußerlich gibt sich der Schuh als grundsolides Fabrikat. Er weist keinerlei Schnickschnack auf, der nur dem Design dient. Das Obermaterial ist eine Kombination von Glattleder und Textil. Schon das ist heute in der Laufschuhproduktion ungewöhnlich. Das Aha-Gefühl stellt sich bereits beim Anprobieren ein. Der Schuh hat einen ausladenden Bug, und ihm fehlt der Absatz. In beidem drückt sich das Konzept des Herstellers aus. Christian Bär rief 1982 die Schuhproduktion ins Leben, angeblich weil er es leid war, wenn ihn abends die Füße schmerzten. Mag sein, daß er die falschen Schuhe trug. Denn es gab auch damals schon Schuhe, die seiner Forderung nach Zehenfreiheit und Gewährleistung einer orthopädisch einwandfreien Haltung gerecht geworden wären; ich habe auch damals schon ein Fabrikat getragen, den Finn Comfort, das den Zehen Platz bietet und auf den Absatz verzichtet. Ein Paar Schuhe aus jener Zeit trage ich zur Gartenarbeit. Was immer Herrn Bär bewogen hat, eine Schuhmanufaktur zu gründen, – seine Vorstellungen von primär komfortablen und gesunden Schuhen setzte er kompromißlos um.

In der Frühzeit der Laufbewegung in der Bundesrepublik hat Egon Brütting mit seinen Laufschuhen aus Kängeruhleder oder Rindsvelour Modelle geschaffen, die sowohl erstmals den Bedürfnissen der den Stadien entfliehenden Läufer entsprachen als auch die gesundheitlichen Aspekte berücksichtigten. In mancher Beziehung sind die Bärschen Laufschuhe mit den EB-Produkten vergleichbar, mit dem Mut zur Innovation, der Sorgfalt der Leistenherstellung und dem hohen Anteil der Handarbeit. Selbst als bereits andere Firmen Laufschuhe in großen Serien herstellten, gab es nicht wenige Läufer, die aus Überzeugung ihrem EB Lydiard treu blieben. Als Reprisen gibt es EB-Laufschuhe noch heute. Dr. med. Hegall Vollert hat zwar in den achtziger Jahren ein Laufschuhmodell unter fußorthopädischen Gesichtspunkten geschaffen, das ich unter diesem Aspekt auch positiv beurteilt habe; aber ich kenne niemanden, der mit diesem plump wirkenden Modell wirklich zufrieden gewesen wäre. Auch ich selbst hütete mich davor, diese Schuhe, die eben nicht wie angegossen saßen, zu einem Wettkampf anzuziehen oder gar zu einem Ultra, denn – jedenfalls bei meinen Schuhen – die Druckstellen traten erst nach etwa 10 Kilometern auf.

Der Laufschuh der Firma Bär hingegen ist im Hinblick auf die Trageeigenschaften völlig unproblematisch; hineinschlüpfen und sich wohlfühlen, ist eines. Im Grunde handelt es sich um einen Allround-Sportschuh. Für einen ambitioniert zu laufenden City-Marathon ist er mit 425 Gramm (das Stück!) bei Größe 8 zu schwer; auf der Ultrastrecke hat er hingegen seine Bewährungsprobe bestanden. Robert Wimmer, der spätere Sieger des ersten Transeuropalaufes im Jahr 2003, ist damit ausgerüstet worden. Die Modellbezeichnung lautet daher "TransEuropa".

Ich selbst habe den Schuh, weil im Februar noch Eis und Schnee lagen, erst seit März benützt. Zwar kann ich keine längeren Strecken im Stück mehr laufen, aber auch auf den kurzen Laufpassagen habe ich keine Auffälligkeiten beobachtet. Ich habe in diesen Schuhen immer ein Gefühl des Komforts, und dies, ohne daß der Schuh um den Fuß schlenkert. Die Verarbeitungsqualität zeigt sich bei mir am Innenfutter. Da ich O-Beine habe, ist bei meinen Laufschuhen sehr bald das Innenfutter an der Außenseite durchgescheuert. Nicht so beim TransEuropa, das ist noch jetzt intakt.

In einer Beziehung haben mich die Schuhe enttäuscht: Nach etwa 700 Kilometern waren die Sohlen schief gelaufen. Dieser einseitige Abrieb tritt zwar bei all meinen Schuhen auf, sowohl bei Straßenschuhen als auch bei Laufschuhen, aber mit einer Ausnahme nicht so früh wie beim TransEuropa. Die Ausnahme war der EB Lydiard Roadrunner, über den gespottet wurde, auf einen 100-Kilometer-Lauf müsse man Ersatzsohlen mitnehmen. Für den TransEuropa wird geworben, er habe eine "abriebfeste Sohle"; mag sein, daß der Verschleiß bei Straßenschuhen zum Maßstab genommen worden ist, für einen Laufschuh hingegen trifft dieses Attribut absolut nicht zu. Allerdings wird auch hervorgehoben, der TransEuropa lasse sich neu besohlen. Das habe ich beim Hersteller getan, der Schuh sieht wie neu aus. Die Besohlung kostet jedoch 54 Euro, zuzüglich Porto. Nun habe ich damit begonnen, die Verwendung des Lauf- und Walkingschuhs in Kilometern zu dokumentieren. Denn ich möchte ihn nochmals besohlen lassen. Von allen Laufschuhen ziehe ich den TransEuropa am liebsten an. Lediglich unter orthopädischen Gesichtspunkten zwinge ich mich dazu, unter verschiedenen Modellen zu wechseln.

Bär bietet weitere Laufschuhe an, den High Performance in zwei Versionen und den Lady Sport. Diese Modelle mit kompletter Textiloberfläche sehen den üblichen Laufschuhen am ähnlichsten; sie haben einen 10 Millimeter hohen Absatz. Achim Heukemes hat darin unter anderem den Badwater-Ultramarathon zurückgelegt. Lobend wird hervorgehoben, er habe, anders als die meisten anderen Läufer, auf der 217 Kilometer langen Hitzestrecke die Schuhe nicht gewechselt. Robert Wimmer hingegen hat beim ersten Transeuropalauf (über 5000 Kilometer) achtmal seinen Bär-Schuh ausgetauscht. Darin deutet sich die geringe Lebenszeit der Sohle an. Wie ich erfahren habe, hat man auch schon versucht, ein anderes Sohlenmaterial zu verwenden, ist jedoch reumütig zu dem bisherigen zurückgekehrt.

Ein deutscher Hersteller mit einem relativ kleinen Laufschuh-Sortiment, das läßt vermuten, daß die Schuhe – wie die ebenfalls kaum getesteten Lunge-Schuhe – im Lande gefertigt würden. Falsch, alle Bär-Schuhe – bis zu 200 000 Paar im Jahr – kommen aus Indien.

Eintragung vom 8. November 10

Eine Gewohnheit, Unsitte oder Krankheit alter Menschen ist es, immer die Vergangenheit zum Maßstab zu nehmen. Ich nehme mich davon nicht aus. Immer war früher alles besser. Sofern nicht gerade die historischen Fakten wie Krieg und Verfolgung dagegen sprachen. Doch als ich heute in meiner Lokalzeitung, einem zwar seriösen und gutgemachten, aber eben nicht gerade weltumspannenden Blatt, einen Vorbericht über den New York Marathon las, überkam es mich: Mensch, das wäre doch früher undenkbar gewesen! Wie oft haben wir uns vor dreißig, vierzig Jahren gewünscht, es möge etwas übers Laufen und über Laufereignisse in den Medien zu lesen, zu hören oder zu sehen sein! Selbst vor zwanzig Jahren noch waren viele Wünsche offen, wie ich mich aus meiner persönlichen Erfahrung erinnere. Der Spartathlon zum Beispiel war noch kein Thema.

Und heute? Gewiß, man mag beklagen, daß die öffentlich-rechtlichen, also von uns bezahlten Anstalten mit Laufereignissen nichts mehr am Hut haben. Doch das scheint mir weniger von den Ereignissen als vielmehr vom unerfreulichen Wandel des Selbstverständnisses in ARD und ZDF abhängig zu sein. Ein Marathon ist nun einmal von Haus aus nicht sehr unterhaltsam; der einsame Kampf mit der Strecke wird nicht dadurch dramatischer, daß er nicht von einigen wenigen, sondern gleichzeitig tausend- bis vieltausendmal ausgetragen wird. Selbst wenn die eigenen Nachbarn mitmachen, ist das kein Thema.

Grundsätzlich jedoch gilt: Laufen ist medienpräsent geworden. Abgesehen davor, daß sich nicht wenige Medien in Laufveranstaltungen des Verbreitungsgebiets kommerziell eingeklinkt haben. Und dies sogar sehr langfristig, mag auch immer wieder einmal von einem Boom oder vielmehr gegenwärtig von einem angeblich abflachenden Boom zu lesen sein.

Gedanken über das Laufen in den Medien haben sich mir in diesen Tagen aufgedrängt. Es ist ja die hohe Zeit der großen oder zumindest allgemein interessierenden Laufveranstaltungen. Mögen die "schönen" Läufe auch zu anderer Zeit im Jahr stattfinden, die "hohe Zeit" hat mit dem Berlin-Marathon begonnen, einem Ereignis, auf das die einschlägig interessierte Welt blickt, zumal nach dem noch immer bestehenden Weltrekord im Jahr 2008 in Berlin. München hat das 25-Jahr-Jubiläum des Marathons gefeiert, wobei historisch inkorrekt unterschlagen wird, daß der Architekt Alfred Pohlan, bekannt als der Tarzan im Tigerhöschen, schon im Jahr 1977 den Oktoberfest-Marathon ins Leben gerufen hatte. Die Parallele findet in Athen statt. Der Lauf auf der klassischen Strecke von Marathon ins Stadion von 1896 ist ja schon Mitte der siebziger Jahre von Teutonia Dortmund organisiert worden (1975 und 1976 bin auch ich da mitgelaufen). Doch gezählt werden nur die von den Griechen organisierten Veranstaltungen. In diesem Jahr ist ein einzigartiges Jubiläum gefeiert worden, 2500 Jahre Marathonlauf, mag es sich auch um ein fiktives Jubiläum handeln, um die inszenierte Wiederkehr eines Mythos. Die Medien haben Notiz davon genommen, und auch der Deutsche Leichtathletik-Verband hat die Zweieinhalbtausend Jahre gewürdigt, wenngleich schon im Mai, weshalb dies bei uns etwas untergegangen ist. Der Jubiläumslauf dagegen hat erst am 31. Oktober stattgefunden, zeitgemäß begleitet von einem 5-km- und einem 10-km-Lauf am Tag zuvor. Der Mythos ist immerhin so stark, daß mit Rücksicht auf die organisatorische Infrastruktur die Marathonteilnehmerzahl auf 12.000 begrenzt worden ist. Diese Zahl immerhin – mit 10.084 Finishern – ist offenbar einwandfrei verkraftet worden. Ich stehe nicht an, dies ausdrücklich festzuhalten, denn früher, als angeblich alles besser war, standen die Griechen nicht gerade in dem Ruf, glänzende oder auch nur korrekte Organisatoren zu sein. Die Olympischen Spiele im Jahr 2004 haben offenbar einen gewaltigen Anschub auch in dieser Hinsicht bedeutet.

Wenn wir vom Mythos zur historischen Realität kommen: Seit 1983 wird am letzten September-Freitag und -Samstag auf der mutmaßlichen Strecke nach Sparta der Spartathlon ausgetragen. Ich habe nachgeschlagen: 1989 war ich erst der zwölfte Deutsche, der die 246 Kilometer fristgerecht beendet hat. Niemand in den Redaktionen hat damals Notiz davon genommen. Heute ist der Spartathlon – Jubiläum hin, Jubiläum her – ein Medienthema, das nicht mehr auf wenige exklusive Organe beschränkt bleibt. Dies offenbar auch, ohne daß die beiden 1. Plätze von Deutschen erlaufen worden sind wie seinerzeit dreimal durch Jens Lukas und viermal durch Helga Backhaus, oder in diesem Jahr Alfred Schippels eine für immer bemerkenswerte Altersleistung vollbracht hat.

Zwei der bedeutendsten deutschen Marathons haben im Oktober stattgefunden, am 4. der Köln-Marathon, wobei noch immer der Rückgang auf 5.468 Marathon-Finisher zu erörtern ist, und am 31. Oktober der Marathon in Frankfurt am Main, wo mit 2:04:57 die achtbeste Marathonzeit der Welt gelaufen worden ist. Schon diese Tatsache hat zur Berichterstattung in Printmedien geführt, abgesehen von der Finisherzahl 9.561.

Der Schwäbische-Alb-Marathon über 50 km (Hauptstrecke) und so mancher andere Lauf im Herbst bleiben dagegen eher den fachspezifischen Magazinen vorbehalten. Das gilt auch für die 100-km-Weltmeisterschaft am 7. November in Gibraltar. Wenn darüber öffentlich berichtet werden würde, müßte das Geschlechterverhältnis kommentiert werden: 92 Männer und nicht weniger als 46 Frauen. 13 Männer liefen unter 7 Stunden, an der Spitze der Japaner Shinji Nakadai in 6:43:44 Stunden, an der Spitze der Frauen die Britin Ellie Greenwood in 7:29:05 Stunden.

Der New York City-Marathon, jährlich zumindest für eine Zeitungsmeldung gut, hat in diesem Jahr zwei Akzente vorab erhalten, nämlich durch die Teilnahme von Haile Gebrselassie, der im Alter von 37 Jahren den Lauf gewinnen wollte, zum anderen durch die Teilnahme eines der verschüttet gewesenen chilenischen Bergleute. Doch Gebrselassie stieg wegen Verletzungen frühzeitig aus und erklärte unvermutet seinen Rücktritt vom Leistungssport. Ursprünglich hatte er noch knapp zehn Jahre dabei bleiben wollen. Ein anderer Äthiopier, Gebre Gebremariam, siegte in New York. Die Kenyanerin Edna Kiplagat lief die schnellste Frauenzeit. Wie auch immer, eine Nachricht wäre der New York Marathon in jedem Fall gewesen. Die Nachricht vor der Nachricht war, daß der Bergmann Edison Fernando Peña Villarroel, der mit seinen Kameraden 69 Tage verschüttet war, in New York starten würde. Peña hat sich von der Gefangenschaft in der Tiefe nicht davon abhalten lassen, in den Stollen zu trainieren. Lief er, um mit der Furcht vor dem Lebendig-Begrabensein fertig zu werden? Sein ungewöhnliches Training und seine Teilnahme am New York Marathon werden in die Geschichte eingehen; die Zeit ist Nebensache (5:40:51 Stunden). Ins Ziel im Central Park sind 44.829 Teilnehmer gekommen.

Eintragung vom 1. November 10

Ein Tagebuch ist zwar im Prinzip die Sache eines Einzelnen, aber ein Tagebuch bedeutet zumindest zuweilen auch Dialog. Am 18. Oktober habe ich mich für das Bahnprojekt Stuttgart 21 ausgesprochen. Daraufhin habe ich die Zuschrift eines Andersdenkenden erhalten. Ich halte es für richtig, sie wiederzugeben. Der Verfasser bezieht sich mit seinen Anmerkungen auf meine Formulierungen. Wegen der Länge der Texte gebe ich die Absätze meiner Eintragung in der Regel nur mit einem einzigen oder wenigen Sätzen wieder (wie bekannt, benütze ich die konservative Orthographie). Fast alle Anmerkungen außer der letzten sind dagegen ungekürzt; Zitate sind kursiv wiedergeben. Wer sich aktuell über den Fortgang der Schlichtung informieren möchte, sei auf das Internet verwiesen.

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Guten Abend Herr Sonntag, nachdem ich gestern beim Schwäb.-Alb-Marathon teilgenommen habe, ist der heutige Sonntag für mich mit trainingsfreier Zeit "gefüllt". Ich übersende Ihnen deshalb eine Stellungnahme zu Ihrem Tagebucheintrag. Ich habe immer Abschnitte Ihres Kommentars (schwarze Schrift) mit meinen blauen Anmerkungen versehen. Viele Grüße Elmar Bindemann

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Wo immer man konnte, sind später Kopfbahnhöfe in Durchgangsbahnhöfe umgewandelt worden.
Die Städte Leipzig, Frankfurt a. M., München haben darauf verzichtet, den Kopfbahnhof in Durchgangsbahnhöfe zu verwandeln, und sind weiterhin leistungsfähige Kopfbahnhöfe! Dies auch deshalb, da ein langwieriger Lokwechsel heute mit den modernen Wendezügen nicht mehr notwendig ist. Insbesondere das sog. Gleisgebirge im weiteren und näheren Zulauf des Stuttgarter Hauptbahnhofes sorgt dafür, dass mehrere Züge kreuzungsfrei und somit gleichzeitig ein- und ausfahren können. Stuttgart ist einer der pünktlichsten Bahnhöfe in Deutschland!

Der Bau mit der Untertunnelung langer Streckenabschnitte und der unterirdische Betriebsablauf sind heute machbar.
Die Machbarkeit ist bis heute fraglich geblieben. Siehe Engelbergtunnel (A 81) bei
Leonberg, der hohe Folgekosten als laufende Ausgaben mit sich bringt, da es technisch eben nicht handhabbar ist, einfach einen Tunnel zu graben und diesen so zu bauen, dass kein Wasser mehr eindringen kann. Speziell in Stuttgart wurde seinerzeit die zweite Röhre des Wagenburgtunnels nicht weitergebaut, da es technisch eben nicht beherrschbar ist, bzw. nur mit immensen Folgekosten. Gelder, die dann an anderer Stelle fehlen. Siehe auch die Stadt Staufen im Breisgau (Im Übrigen ist die Haftungs- und Entschädigungsfrage dort bis heute nicht restlos geklärt....). Muss alles nicht passieren – aber vielleicht wäre es gut, man hätte einen Notfallplan. Selbst der "Mit-Architekt" von S21 distanziert sich inzwischen vom unterirdischen Bahnhof.

Stern, 26.08.2010: "Gefahr für Leib und Leben": Stuttgart 21-Architekt fordert den sofortigen Baustopp. Architekt Frei Otto warnt eindringlich vor den Gefahren für "Leib und Leben". Eine Untersuchung bestärkt ihn. Der Stararchitekt Frei Otto, einer der Väter von Stuttgart 21, fordert einen Stopp des umstrittenen Bahn-Projektes. (Otto) ... warnt eindringlich davor, mit dem Bau des neuen Hauptbahnhofes zu beginnen. Man müsse jetzt "die Notbremse ziehen", es gehe "um Leib und Leben". Stuttgart 21 ist eines der teuersten Bahnprojekte aller Zeiten in Deutschland – und das umstrittenste. Der alte, denkmalgeschützte Bahnhof soll teilweise abgerissen und unter die Erde gelegt werden, aus dem Kopf- soll ein Durchgangsbahnhof werden. Dafür wird ein 33 Kilometer langes mehrgleisiges Tunnelsystem gebohrt. Otto, der vor einem Jahr aus der S-21-Projektgruppe wegen wachsender Sicherheitsbedenken ausschied, sagte dem stern, dass er "laut" werden müsse: "Aus moralischer Verantwortung heraus kann ich nicht anders handeln". Mehrere Gefahren sieht der Architekt, der 1997 gemeinsam mit Christoph Ingenhoven den Wettbewerb für den Tiefbahnhof gewonnen und ihn mit entworfen hat: dass der Bahnhof eventuell überschwemmt werden, oder aber auch, dass er "wie ein U-Boot aus dem Meer" aufsteigen könne. Stuttgarts Erde ist tückisch. Voller Wasser und Quellen, Gipsschichten mit hohem Anhydridanteil, also Mineralien, die aufquellen, Hohlräume, die unkontrollierbar Krater bilden können. Im badischen Staufen, wo die Erde zwecks Erdwärmegewinnung angepiekst wurde, hoben sich Häuser und bekamen Risse. In der Nähe von Stuttgart selbst muss derzeit ein Autobahntunnel aufwendig repariert werden, weil der Druck aus der Tiefe die Straße verformt. Otto: "Es ist wie bei einer roten Ampel, wenn da einer durchbraust, muss man ihn aufhalten." Ein geologisches Gutachten für die Deutsche Bahn von 2003, das bisher nur ein kleiner Personenkreis kannte, nicht aber Abgeordnete oder gar Stuttgarts Öffentlichkeit, bestätigt Frei Ottos Bedenken. Diese Studie des Ingenieursbüros Smoltczyk & Partner, die dem stern vorliegt, belegt, wie gefährlich Stuttgarts Untergrund ist: löchrig wie ein Käse, voller Dolinen und Hohlräume, sie zeigt, dass Bauarbeiten in diesem Grund enorm schwierig werden. Es lässt sich kaum abschätzen, wie lange sie dauern. Unkalkulierbar scheint zudem, wie viel die Arbeiten in diesem Untergrund kosten. "Mit dem Wissen von heute", so Otto zum stern, "kann ich dieses Projekt nicht mehr verantworten. Ich würde auch nicht mehr in die Tiefe gehen, das wollte ich sowieso nie, das wollte der Auftraggeber" Der Tübinger Geologe Jakob Sierig, ein Spezialist für Anhydrid- und gipsführende Erdschichten, hat für das Magazin das Gutachten analysiert. Sein Befund: "Bei Stuttgart 21 geht es nicht um mögliche Risse in Häusern, es geht um mögliche Krater, in denen Häuser verschwinden können. Es geht um Menschenleben."

Wer hält sich schon stundenlang auf einem Bahnsteig auf? Bahnhofshallen kann man auch nicht gerade als Dome des Lichts bezeichnen.
Der Schnellverkehr wird eben nicht durch den Bahnhofsneubau, sondern allenfalls durch die Neubaustrecke nach Ulm nachhaltig erreicht. Der unterirdische Bahnhof ist hier mit gerade mal zwei Minuten Zeitersparnis veranschlagt. Das jedoch auch nur bei einer kalkulatorischen Umsteigezeit von nur ein bis zwei Minuten. Es genügt ein einziger verspäteter Zug, um den ganzen Fahrplan zu stören. Obendrein halten sich sehr wohl sehr viele Pendler – und das ist die überwältigende Mehrheit der Bahnnutzer – im Bahnhof auf. Wenige Fernreisende hingegen wohl tatsächlich nicht.

Der Abriß des Nord- und des Südflügels? Es sind ungegliederte Bauteile mit Muschelkalkstruktur, im Grunde deshalb errichtet, weil man die Stadt vor den damals verkehrenden Dampflokomotiven schützen wollte.
Der Bahnhof steht unter Denkmalschutz. Die Denkmalschutzbehörde wurde kurzerhand in das Wirtschaftsministerium integriert. Warum wohl.

Bäume im angrenzenden Schloßgarten, den man seit Jahren tunlichst nicht in der Dunkelheit durchqueren sollte, sind gefällt worden, 270 Bäume müssen weichen. Für den Juchtenkäfer, der hier wohnt, wird sich eine Überlebensmöglichkeit finden. Die verschwindenden Bäume sollen durch 285 Bäume, 12 Meter hoch, ersetzt werden.
280 Bäume müssen weichen – an einem Ort in Stuttgart, der unweit der Stelle liegt, an der die höchste Feinstaubbelastung der gesamten Bundesrepublik gemessen wird (Neckartor). http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/1925999_0_9223_-feinstaub-neckartor-erneut-bundesweit-spitzenreiter.html
Selbst wenn es möglich sein sollte 12 Meter! hohe Bäume zu pflanzen, was ich bezweifle, würden diese sicher nicht dort am Bahnhof gepflanzt, da das Dach hierfür sicher nicht geeignet ist. Hier werden allenfalls Rollrasen und Kübelpflanzen aufgebracht werden können. Darüber hinaus soll genau jenes "Parkstück" geopfert werden, das den größten Erholungsnutzen für die Bevölkerung bringt. Liegt es doch just hinter dem Bahnhof in unmittelbarer Citylage.

Der Schloßgarten wird erweitert, 5000 Bäume sollen gepflanzt werden, und zwei Parks, der Schloßgarten und der Rosensteinpark, sollen dank Wegfall der trennenden oberirdischen Schienen miteinander verbunden werden. Die Gegner von S 21 vertreten die Ansicht, das Projekt sei zu teuer und gefährde oder verhindere gar andere, für dringender erachtete Bahnprojekte; außerdem wollen sie die oberirdischen Gleisanlagen erhalten.
Die 5000 Bäume sollen zum Teil nicht etwa in der Stuttgarter Innenstadt / Park gepflanzt werden, sondern auf Ausgleichsflächen an der Peripherie von Stuttgart. Nach den Plänen von Stuttgart 21 soll der Park um 20 Hektar erweitert werden. Jedoch wird bis heute verschwiegen, dass von diesen 20 Hektar die 10 Hektar im Bereich des Tiefbahnhofs abzuziehen sind. Von den dann verbleibenden 10 Hektar darf ein Großteil gar nicht mit Bäumen bepflanzt werden, denn dort sind ökologische Ausgleichsflächen für die wegfallenden Lebensräume im Bereich der heutigen Gleisschotterflächen vorgeschrieben. Diese Erweiterung, entfernt vom Zentrum, wird erst in ferner Zukunft stattfinden. Der Verlust an Parkfläche Stadtzentrum wird jedoch vom ersten Tag des Baubeginns an zu beklagen sein! Und dies auf Dauer, denn auf dem gigantischen Betonriegel über dem Tiefbahnhof werden niemals Bäume wachsen. Die von den Projektbefürwortern propagierte Parkerweiterung würde in zweieinhalb Kilometern Entfernung auf den Gleisflächen am Rosenstein entstehen, die jedoch erst nach Inbetriebnahme des neuen Tiefbahnhofs geräumt werden können. Dies wird frühestens in zehn Jahren der Fall sein! Erfahrungsgemäß werden mit Baustellen dieser Größenordnung 15 und mehr Jahre vergehen, ehe die ersten Ersatzbäumchen gepflanzt werden können. Bis diese Jungbäumchen auch nur halbwegs die Größe unserer prächtigen Parkbäume erreicht haben, können 30 bis 50 Jahre vergehen. Durch Stuttgart 21 würde mindestens eine Generation um den Parkgenuß betrogen! Für S21 und dessen Baustelle müssen rund 280 Großbäume im Schlossgarten gefällt werden. Bäume dieser Größe und dieses Alters haben in der "Grünen Lunge Stuttgarts" eine wichtige Funktion. Jeder Baum ist für den CO2-Abbau, als Sauerstoffspender und Feinstaubfilter in unserer Stadt dringend notwendig. Ein 100jähriger Laubbaum mit 14 Metern Kronendurchmesser produziert täglich 9.400 Liter Sauerstoff und bindet bis zu 1.000 kg Staub im Jahr. Um die alten Parkbäume zu ersetzen, müssten rund 30.000 neue gepflanzt werden.

Sicher, die ursprünglich veranschlagten Kosten mußten erhöht werden.
Die Kostenentwicklung von Stuttgart 21: Waren anfänglich insgesamt 2,5 Milliarden Euro als Baukosten für S21 veranschlagt, so ist der offiziell zugestandene Betrag inzwischen stufenweise immer weiter angewachsen. Ein Ende dieser Kostenexplosion ist nicht in Sicht. Dabei ist bemerkenswert, dass die Bahn ihren Anteil immer weiter reduzieren konnte (von rund zwei Drittel auf rund ein Viertel). Wenn auch die als Höchstgrenze angesetzten 4,5 Milliarden Euro überschritten werden – wer wird das bezahlen müssen? Die Kostenberechnungen neutraler Gutachter liegen derzeit zwischen 6,9 und 8,7 Milliarden Euro; dabei sind die Preissteigerungen während der Bauzeit berücksichtigt. Berechnungsgrundlage waren Baumaßnahmen mit vergleichbarem Charakter. Der Bundesrechnungshof (BRH) ermittelte 2008 Baukosten von 5,3 Milliarden Euro noch ohne Berücksichtigung besonderer Risiken und der Baupreissteigerungen. Beim angeblichen Baubeginn behaupteten Bahnchef Grube, OB Schuster und Bauleiter Azer diese Kostenermittlung des BRH nicht zu kennen. Der Bund der Steuerzahler sprach sich angesichts der zu erwartenden Entwicklung für eine Kostendeckelung aus. Wie soll diese aber praktisch aussehen? Soll etwa mit dem Weiterbau aufgehört werden, wenn kein Geld mehr vorhanden ist und eine riesige Baugrube klafft?

Nach aller Lebenserfahrung und in Anbetracht der Länge der Bauzeit wird es wohl auch nicht bei den jetzt errechneten Kosten bleiben. Dennoch, wenn die Bahn als Bauherr ein solches Jahrhundertprojekt angreifen will und die mehrheitliche Unterstützung der legitimierten Gremien in Stadt und Land einschließlich der Rathäuser bekommen hat, wäre dies ein Anlaß, Beifall zu klatschen.
Die Bahn hat jährlich ca. 1 Mrd. für alle! Infrastrukturprojekte in der gesamten Bundesrepublik zur Verfügung. Da wird schnell klar, dass, wenn S21 gebaut wird, auf lange Zeit kein Geld mehr für andere Projekte zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist es ein Unding, dass sich die Deutsche Bahn erfolgreich weigern kann, ihrem Eigentümer und "Aufsichtsrat" nämlich dem Deutschen Parlament, insbesondere dem Verkehrsausschuss, Kostenkalkulationen vorzuenthalten mit dem Hinweis, dies seien Betriebsgeheimnisse. Ein Eigentümer darf also nicht erfahren, was in seinem Unternehmen läuft und soll trotzdem Entscheidungen von großer Tragweite fällen. S21 ist deswegen nicht demokratisch legitimiert, da die Entscheidungsgremien aufgrund falsch verbreiteter Tatsachen und Kostenplanungen abstimmen mussten und selbst auf Nachfragen eben nicht an die wesentlichen Informationen kamen. Auch unterschlägt die Landespolitik bewusst Gutachten, die sie selbst in Auftrag gegeben hat. Das Schweizer Verkehrsplanungsbüro SMA und Partner AG, Zürich, hat in jener Studie eine eklatante Verschlechterung des Bahnverkehrs durch Stuttgart 21 festgestellt. Aus dem Gutachten lässt sich laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz – BUND, dem Verkehrsclub Deutschland – VCD und dem Fahrgastverband ProBahn folgendes herauslesen:
1. SMA und Partner bestätigen gravierende Mängel bei der Fahrbarkeit von Stuttgart 21.
2. Ursache für die aufgezeigten Engpässe ist die zu knapp ausgelegte Infrastruktur.
3. Die Leistungsfähigkeit des Durchgangsbahnhofs ist deutlich geringer als versprochen. Der Bahnhof wird zum Nadelöhr.
4. Die vorhandene Infrastruktur im Wirtschaftsraum Mittlerer Neckar wird reduziert.
5. Es gibt gravierende Nachteile für die S-Bahn, die Gäubahn und die Verknüpfung von Verkehrslinien.
6. Ein Integraler Taktfahrplan ITF ist mit Stuttgart 21 nicht machbar.
7. Die These, dass Stuttgart 21 die doppelte Leistungsfähigkeit wie der Kopfbahnhof besitzt, ist widerlegt.
8. Aufgrund der Engpässe besteht die Gefahr, dass in Zukunft Züge um Stuttgart herum geführt werden müssen.
Eine weitere Studie der Gutachter K+P für die IHK Stuttgart wurde ebenfalls bisher verschwiegen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das bestehende Netz am Neckar das Wachstum im Schienenverkehr ohne S21 locker verkraften könne. Andernorts – wie im Rheintal – drohen dagegen schlimme Engpässe im Güterverkehr. Genau dort fehlt aber das Geld. Aktuell für die Anbindung an den neuen Gotthard-Basis-Tunnel.

Die Finanz- und Bankenkrise und der Pleitestaat Griechenland haben, einschließlich der geprellten Kleinanleger, ein Vielfaches der für Stuttgart 21 vorgesehenen Summe gekostet. Doch vor den Banken haben sich keine Massen versammelt. Der Protest gegen die Verlängerung der Betriebsdauer von Atomkraftwerken vermochte nicht, die Massen so aufzurütteln wie das Projekt in Württemberg.
Anmerkung mit Beispiel am Rande: http://www.anti-atom-demo.de

Dabei handelt es sich hier nicht um eine Schicksalsfrage, sondern nur um einen unterirdischen Bahnhof und um Bahnstrecken.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kommentar/1286781
Kommentar zum "Schwarzen Donnerstag" 30.09.2010, der jedoch auch die oben angesprochene "Schicksalsfrage" beleuchtet:
Deutschlandfunk, 01.10.2010: Von Frank Capellan, Hauptstadtstudio.
Es geht auch nicht um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, wie uns die Kanzlerin einzureden versucht. Es geht um die Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie, könnte man Angela Merkel zynisch erwidern. Was sich in Stuttgart abspielte, war ein Lehrstück darüber, wie der Staat mit seinen Bürgern, mit seinen Kritikern, nicht umgehen darf! Die Polizei stand keinem schwarzen Block von gewaltbereiten Chaoten gegenüber, sie richtete Wasserwerfer auf Schüler und Jugendliche, auf Familien mit Kindern. Und dann stellt sich Baden-Württembergs Innenminister mit der dreisten Anschuldigung ins Fernsehen, Mütter und Väter, die ihre Kinder instrumentalisieren und in die vorderste Reihe schicken, sind selbst schuld, wenn sie getroffen werden. Wer so argumentiert, ist falsch auf seinem Posten. Heribert Rech sollte sich schnell einen neuen Job suchen. Was eigentlich schwafeln Politiker, wenn sie beklagen, dass sich junge Leute viel zu wenig politisch interessieren und engagieren? Tun sie es dann doch, werden sie sogleich kriminalisiert. Die vielen Schüler, die gestern dabei waren, werden begeistert sein von der körperlichen Erfahrung mit Staat und Demokratie. Um weiteren politischen Schaden abzuwenden, muss und wird sich auch Berlin mit dem Prestige-Projekt beschäftigen müssen. Keine Geringere als die CDU-Vorsitzende hat Stuttgart 21 zu einem bundespolitischen Thema gemacht. Die Kanzlerin war es, die in der Haushaltsdebatte trotzig erklärte, in jedem Fall am Bau festzuhalten. Sie hat ohne Not provoziert, als sie lautstark angekündigte, die Landtagswahl zur Volksabstimmung über den unterirdischen Bahnhof zu machen. Natürlich – dieses Projekt ist demokratisch legitimiert, die Bürger haben zu lange geschlafen, sie hätten früher protestieren müssen. Andererseits hat sich die Entscheidungsgrundlage wohl geringfügig verändert, seit sich die Baukosten zumindest verdoppelt haben, von vier Milliarden Euro ist nun die Rede. Unsere Volksvertreter müssen sich im Übrigen fragen lassen, wie wenig Gespür sie eigentlich für die Stimmung ihres Volkes haben – zwei Drittel der Stuttgarter sind gegen das von ihnen beschlossene Projekt. Wenn die Verantwortlichen heute behaupten, jeder hätte doch schon vor Jahren die Möglichkeit gehabt, eine Bürgerbeteiligung zu beantragen, dann darf man wohl fragen: Warum eigentlich haben die Politiker ihre Bürger nicht von sich aus beteiligt? Warum haben sie nicht gefragt, was die von Stuttgart 21 halten? Das Projekt jetzt mit aller (Polizei-)Gewalt durchsetzen zu wollen, einen vorläufigen Baustopp nicht einmal in Erwägung zu ziehen, das schadet unserer Demokratie und sogar dem immer wieder gern bemühten Ansehen Deutschlands im Ausland. Darum geht es seit gestern: nicht mehr um einen schnöden Bahnhof!

Der Widerstand zu S21 ist Teil einer größeren, bundesweiten Unzufriedenheit mit der volksfernen Politik im Allgemeinen und mit Großprojekten im Besonderen!

Ich habe einen Verdacht. Womöglich geht es dem Kern der Demonstranten gar nicht um den Bahnhof. Der CDU-Ministerpräsident, Stefan Mappus, und der Stuttgarter Oberbürgermeister, Dr. Wolfgang Schuster (CDU), dessen jetzige Amtszeit im Jahr 2012 endet, sollen in die Enge getrieben werden. Am 27. März 2011 ist Landtagswahl. Jetzt ist die Gelegenheit, es den Politikern zu zeigen.
Stimmt, der Bahnhof ist zum Symbol geworden für einen Politikstil nach "Gutsherrenart" und "Basta-Mentalität". Die Staatsverschuldung steigt immer weiter an. Trotzdem werden Gelder sinnlos verschwendet – bei gleichzeitigem Abbau unser aller Daseinsvorsorge und sozialen Standards. Und genau diese Gleichzeitigkeit ist der eigentliche Skandal!

Grube wird vorgeworfen, er kenne nur ein Ja oder Nein. Doch eine andere Alternative gibt es nicht.
Doch, die gibt es. Man kann den funktionierenden Kopfbahnhof – übrigens, rein optisch gesehen, mit einem sehr freundlichen und lichtdurchlässigen Glasdach – modernisieren und hätte so den Vorteil, den Integralen Taktverkehr nach Schweizer Vorbild einzuführen. Sprich einen sinnvollen Ausbau zugunsten des regionalen Nahverkehrs, der die meisten Menschen in den Zug bringt, und eben auch für den Fernverkehr, mit bequemen Umsteigen und die Chance, seinen Anschlusszug noch zu erreichen, da auf einem Bahnhof mit 16 / 17 Gleisen und dem "Stuttgarter Gleisgebirge" der eine oder andere Zug warten und trotzdem ausfahren kann.

Man kann sich weder nur mit der Umgestaltung des Hauptbahnhofs begnügen noch nur mit der Neutrassierung der Strecke durch die Schwäbische Alb, wo auf der Geislinger Steige die ICE ihre Geschwindigkeit auf 70 km/h mäßigen müssen. Die Frage in einem Medium, wer um Himmels willen denn von Paris nach Bratislava mit der Bahn fahren wolle, ist nicht anders als polemisch zu bezeichnen.
Polemisch agiert, wer nicht zugibt, dass eben nicht die Mehrzahl der Menschen in der Region Stuttgart von Paris nach Bratislava fahren möchten – sondern auf einen funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr angewiesen ist. Im Übrigen sind wir hier nun bei der Neubaustrecke gelandet, die möglicherweise für den Personenverkehr eine Zeitersparnis brächte (nicht für den Güterverkehr, da zu steil) – und nicht mehr beim Bahnhof!

Bei allem: Die Protestbewegung kommt um Jahre zu spät. Die Gelegenheit, die Stimme zu erheben, wäre in der Zeit gewesen, bevor das Bauvorhaben in die Genehmigungsphase getreten wäre.
Anmerkung: http://www.sueddeutsche.de/politik/umstrittenes-bahnprojekt-stuttgart-und-derunheilbare-mangel-1.1013415
Stuttgart 21 Der unheilbare Mangel. Andreas Zielcke, Süddeutsche Zeitung 19.10.2010
Den Gegnern des Bahnprojekts Stuttgart 21 wird vorgeworfen, sie hätten ausreichend Gelegenheit zum Mitreden gehabt. Doch von wegen. Ein Blick in die Archive zeigt: Diese Unterstellung ist schlicht falsch. Ein längst überfälliger Rückblick. Selbst Heiner Geißler sieht seinen Schlichtungsversuch nicht als Ersatz für eine versäumte Volksbeteiligung. Die hat nie stattgefunden, weder als Volksentscheid noch als Volksbefragung. Obwohl er in seiner vermittelnden Rolle die Worte hüten muss, prangert er an, dass "staatliche Entscheidungen bei solch gravierenden Projekten ohne Einbindung der Bürger dem vorherigen Jahrhundert angehören". Trotzdem hält kein Befürworter des Projekts die Entscheidung für illegitim. Sie wurde von demokratischen Instanzen gefällt, sagen sie, die Projektgegner hatten über die Jahre ausgiebig Zeit, ihre Einwände geltend zu machen, also ist die Entscheidung zu Recht unwiderruflich. So auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle: "Irgendwann muss hier ein Schlusspunkt gesetzt werden ... Ansonsten verlieren wir unsere Zukunftsfähigkeit." Der Richter hätte sich besser die Vorgeschichte des Projekts angeschaut, bevor er sich dem Postulat ... so forsch anschließt. Die Unterstellung, dem heutigen Konflikt sei ein hinreichender Zeitraum demokratisch offener Entscheidungsfindung vorausgegangen, ist historisch schlichtweg falsch:
1. Vorgehalten wird den Projektgegnern, ihnen habe es seit 1994 frei gestanden, sich zu informieren, ihre Stimme zu erheben, ihre Wahlen danach auszurichten und ihr demokratisches Gewicht gegen Stuttgart 21 in die Waagschale zu werfen. Alles sei transparent gewesen, die Möglichkeiten für Eingaben, Widersprüche, Alternativvorschläge in den vielen Jahren unbegrenzt. Vor fünfzehn Monaten, am 17. Juli 2009, verkündete das Verwaltungsgericht Stuttgart sein Urteil, mit dem es das Volksbegehren gegen das Projekt für unzulässig erklärte. Interessant ist nicht das Datum des Urteils (obwohl es beweist, wie spät der Widerstand sich juristisch formiert hat), interessant ist auch nicht die beklagenswerte Amateurhaftigkeit des angestrebten Volksbegehrens selbst. Interessant sind aber die Ablehnungsgründe des Gerichts. Das Hauptargument lautet, man dürfe die Stadt durch ein Volksbegehren nicht zu einer rechtswidrigen Aktion zwingen. Rechtswidrig aber sei der Auftrag, das Projekt aufzugeben, da die Stadt längst vertraglich und gemeinderechtlich zur Teilnahme an Stuttgart 21 verpflichtet sei: Am 7. November 1995 hat sie mit den anderen Projektbeteiligten (Bahn, Bund, Land Baden-Württemberg, Region) eine "Rahmenvereinbarung" geschlossen, mit der das Projekt vertraglich begründet wurde. Am 30. November 1995 hatte der Gemeinderat zugestimmt. In der Folge sind weitere, konkretisierende Beschlüsse gefasst worden. Insbesondere traf die Stadt am 24. Juli 2001 mit den anderen Beteiligten eine Realisierungsvereinbarung", mit der bestimmte Finanzierungspflichten festgelegt wurden. Auch darum kommt, sagt das Gericht, ein einseitiger Ausstieg der Stadt rechtlich nicht mehr in Betracht. Offenbar hat keiner der Projektbefürworter, die jetzt die repräsentative Demokratie gegen die aufgebrachten Gegner ins Feld führen, die Brisanz dieser Argumentationslinie erkannt.
2. Dafür muss man allerdings, was offenbar kein Streithahn bisher für nötig befand, das Archiv des Stuttgarter Gemeinderats bemühen. Alle Akten aus den neunziger Jahren, auf die es ankommt, sind dort auf Mikrofiche zugänglich. Für die Rekonstruktion des zeitlichen Ablaufs ist vor allem die "Rahmenvereinbarung" vom November 1995 entscheidend. Mit ihr hat sich die Stadt wie alle übrigen Vertragsbeteiligten unwiderruflich an das Projekt gebunden. Folgerichtig wiesen Gemeindevertreter und Bürgermeister, aber auch Bund, Land und Bahn später immer wieder auf diesen Grundlagenvertrag hin, wenn es um das Fortschreiben des Projekts ging. In der Tat lässt schon dieser Vertrag an der Verpflichtung, das Projekt in der auch heute noch gültigen Gestalt zu verwirklichen, nichts zu deuteln übrig. Dass der Kopfbahnhof durch einen "tiefliegenden 8-gleisigen Durchgangsbahnhof ersetzt", der "Flughafen mit Fernbahnhof angebunden", die "Strecke Stuttgart – Wendlingen neu gebaut" und das freiwerdende städtische Bahngelände als Neubaugebiet für "mindestens 11000 Einwohner und mindestens 24000 Arbeitsplätze" erschlossen wird, alle diese Punkte sind hier bereits so geregelt, wie es bis heute beibehalten ist. Das betrifft sogar die Kosten, an deren Kalkulation ("Preisstand 01/93"!) man erstaunlicherweise im Wesentlichen ebenfalls bis heute festhält, sieht man von der später hinzugerechneten Risikovorsorge ab.
3. Wann also konnten die Bürger frühestens mitreden? Nachdem interne Planspiele diverser Ingenieurbüros vorausgegangen waren, erblickte Stuttgart 21 am 18. April 1994 das politische Tageslicht. An diesem Tag gaben der Bahnchef, der Oberbürgermeister, der Ministerpräsident, der Bundes- und der Landesverkehrsminister eine "kurzfristig anberaumte Pressekonferenz" in Stuttgart. Wie es ein Reporter damals beschrieb, war den Herrschaften "eine diebische Freude über ihren geglückten Überraschungscoup anzumerken". Denn "unbemerkt von der Öffentlichkeit hatten sie ihre konzertierte Aktion seit längerem vorbereitet". Nun aber lüfteten sie den Vorhang und gaben ihren Plan bekannt, "Stuttgart für Fernzüge zu untertunneln und einen achtgleisigen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu errichten". Damit war die "packende Idee" wie aus dem Zauberhut auf dem Tisch. Dass dies selbst nach damaligen Maßstäben euphorisch-vorschnell geschah, zeigt ein Vergleich: Die beiden Parallelprojekte, "München 21" und "Frankfurt 21", wurden erst zwei Jahre später, im Juni 1996, der Öffentlichkeit vorgestellt. Dort trafen sie in den beiden Kommunen auf einen völlig anderen politischen Beratungskontext – und wurden beide später verworfen. Allein dieser Vergleich wäre eine historische Vertiefung wert.
4. Die erste und, wie sich nachher herausstellte, einzige Gelegenheit für die Bürger Stuttgarts, wenn schon nicht durch direkte Beteiligung, dann wenigstens in einer Kommunalwahl auf das Projekt Einfluss zu nehmen, bevor der Hammer ein für allemal gefallen ist, bot die Wahl des Gemeinderats am 12. Juni 1994. Das war freilich nur acht Wochen nach der Pressekonferenz. Nach allen damaligen Medienberichten spielte der "große Wurf Stuttgart 21" (Erwin Teufel) noch keinerlei auffällige Rolle im Wahlkampf. Offensichtlich erschien er als kühne, aber unausgegorene Zukunftsvision noch viel zu weit entfernt zu sein von den konkreten politischen Sorgen, die die Wähler im Sommer 1994 drückten. Wahlbeeinflussende Kontroversen löste sie noch nicht aus, planerische Alternativen zirkulierten nicht. Die Idee war bei den Bürgern politisch noch nicht als entscheidungsrelevanter Ernstfall angekommen. Die erste Machbarkeitsstudie wurde erst sieben Monate später veröffentlicht, am 16. Januar 1995. Noch krasser war es auf der Ebene des Landes, das ja durch Stuttgart 21 wegen der enormen finanziellen Beteiligung, aber natürlich auch wegen der überregionalen verkehrspolitischen Implikationen stark mitbetroffen ist. Hier aber besaßen die Wähler überhaupt keine Möglichkeit, zumindest mittels des Wahlzettels rechtzeitig mitzuwirken. Die letzte Landtagswahl lag bereits zwei Jahre zurück (1992), die nächste, 1996, kam dafür zu spät. Die Würfel waren, wie gesagt, im November 1995 gefallen.
5. Von Anfang an, also seit dem 18. April 1994, weigerte sich die Bahn mit hartnäckiger Konsequenz, alternative Pläne für die Einbindung Stuttgarts in eine schnelle Fernverkehrsmagistrale Paris – Budapest oder eben nur für die Modernisierung des Stuttgarter Knotenpunkts zu entwickeln. Die absolutistische Ja/Nein-Logik, die heute den Konflikt so unlösbar erscheinen lässt, war dem Projekt vom ersten Tag an aufgebürdet. Entweder wir untertunneln die Stadt und beseitigen den Kopfbahnhof, oder alles bleibt beim Alten. So rigoros, anders gesagt, so erpresserisch setzte die Bahn die Gemeinde unter Druck. Und diese ließ sich bereitwillig darauf ein: eine im Vergleich zu Frankfurt und München unerhört schwache Vorstellung einer kommunalen Körperschaft. Als ob Stuttgart als Zentrum des potentesten Wirtschaftsraums in Deutschland nicht damals schon eine überragende Verhandlungsmacht gehabt hätte! Doch weit gefehlt. Die Stadt unterschrieb im November 1995 den Rahmenvertrag, ohne je auch nur, was doch in ihrem ureigensten Interesse gelegen hätte, selbst daran zu gehen, konzeptionelle Alternativen zu entwickeln, zu prüfen, durchzuspielen und durchzurechnen. In dem kurzen Zeitraum zwischen Sommer 1994 und Spätherbst 1995 wäre dies auch gar nicht seriös zu machen gewesen. "Ohne eigenes Konzept, aber auch ohne denkbare Alternativen geprüft zu haben, hatten sich Stuttgarts Stadtväter vertraglich verpflichtet, das Projekt mitzutragen", schrieb etwas später, am 21. August 1996, die Süddeutsche Zeitung. "Die Unfähigkeit (oder Unwilligkeit?) der Stadt, den Bauplanungen eigene Vorstellungen entgegenzusetzen, ist frappierend." Roland Ostertag, Ex-Präsident der Bundesarchitektenkammer, machte die "geo- und topographische, aber auch die geistige Kessellage der Stadt" dafür verantwortlich. Das waren böse Worte, aus denen die Enttäuschung über die unbegreifliche planerische Eindimensionalität der Stadtväter sprach. Ohnehin aber musste jedem, der sich informierte, klar sein, dass sich seit dem Rahmenvertrag alle Überlegungen über das "Ob" des Projekts ebenso wie über Alternativen erübrigten. Wenn das Bild hier erlaubt ist, der Zug war 1995 abgefahren. Die Volksvertreter hatten abgesegnet, was sie selbst nie gegen Alternativen abgewogen und was sie dem von ihnen vertretenen Volk nie zur Prüfung vorgelegt hatten. Das war vor 15 Jahren.
6. Unentwegt rühmt die für ihr Projekt werbende Stadt heute die Tatsache, dass die Bürger in den rechtlichen Planfeststellungsverfahren mehr als 10000 Eingaben und Einwände einbringen konnten. Unterschlagen wird dabei, dass solche Eingaben nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie lediglich Korrekturen und Detailbeschwerden formulieren. Jene aber, die das ganze Projekt ablehnen und durch Alternativen ersetzen wollen, bleiben unberücksichtigt.
7. Dass eine Demokratie zumindest ihre folgenreichen Entscheidungen deliberativ prüfen, an Alternativen messen und mit offenem Ausgang öffentlichen Debatten aussetzen muss, gehört seit langem, sollte man meinen, zum Allgemeingut ihres Sinns für kollektive Verantwortlichkeit. Das Verfahren, das Stuttgart 21 hervorbrachte, parodierte diese Erkenntnis. Noch nicht mal aus taktischen Gründen hatte man die Bürger beteiligt. Bei dem Soziologen Niklas Luhmann, dem vielleicht klügsten Zyniker der deutschen Nachkriegsdemokratie, hätte man es lernen können. In seinem berühmten Buch "Legitimation durch Verfahren", das Ende der sechziger Jahre herauskam, führte er aus, dass in komplexen Streitfragen eine abschließende Entscheidung nie eine "objektive Wahrheit" verkörpert, also notwendig kontrovers bleibt. Von denen, die nicht einverstanden sind und unterliegen, wird das Resultat daher nur dann friedlich akzeptiert, wenn man sie in die Entscheidungsfindung eingebunden und ihren Einwänden realistische Chancen auf Gehör gewährt hatte. Wer weiß, ob Stuttgart 21 nicht die beste Lösung ist. Doch der vorausgehende Hauruck-Prozess hat sie demokratisch auf Dauer diskreditiert. Nicht richtige Entscheidungen, sondern richtige Verfahren befrieden.

Was Heiner Geißler bewirken kann, ist allenfalls eine Verifizierung der Kostenrechnung. Die Mehrheitsbeschlüsse in den zuständigen Gremien kann auch er nicht rückgängig machen. Es gibt nur ein Ja oder Nein. Ein Nein würde 1,5 Milliarden Euro kosten, dazu mehr als diesen Betrag für die Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs.
Frage: Wie schlüsseln sich die 1,5 Mrd Euro auf, woher kommen diese? Für die Bewertung dieser Frage reicht es nicht aus, horrende Zahlen über die Medien zu verbreiten. Vielmehr ist es erforderlich, reale Zahlen, nebst den Verträgen, auf den Tisch zu legen. An der Redlichkeit einer solchen Offenlegung sind Zweifel berechtigt. "Ein geheim gehaltenes internes Papier vom Dezember 2009, für DB-Konzernchef Grube gefertigt, welches der Frankfurter Rundschau vorliegt, beweist, dass die Alternative zu S21, die Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs, mit 340 Millionen Euro bis 2020 nur einen Bruchteil der S21-Summen kosten würde. Auch der Ausstieg aus S21 sei viel günstiger als behauptet. Die bisher entstandenen Kosten bei der DB beziffert das Geheimpapier auf gerade mal 73 Millionen Euro. Der Bahn AG würden allerdings bei Realisierung eines Alternativkonzeptes wesentliche Teile der versprochenen Steuermilliarden entgehen."
http://www.fr-online.de/wirtschaft/mobilitaet/tricksen-und-taeuschen/-1473636/4573076/-/index.html
Entscheidend ist, dass es für die Bewertung von Ausstiegskosten nicht reicht, die bisher entstandenen Kosten zu bilanzieren. Vielmehr müssten diese in einer Gesamtbilanz den Kosten und Nutzen einer alternativen Bahnhofssanierung wie z.B. bei K21 gegenüber gestellt werden, weil nur über einen solchen Vergleich ein realistisches Bild zustände käme. Ferner ist zu berücksichtigen, dass bei einer Realisierung von S21 vermutlich noch weit höhere Kosten entstehen würden, als die bis jetzt schon bekannten. Entscheidend ist auch, was die Frage nach den Kosten bei einer Vertragsauflösung anbelangt, dass zumindest alle Zahlungen, die zwischen Stadt, Land Baden-Württemberg, Bund und Bahn zu leisten wären, in öffentlicher Hand blieben, da sich auch die Bahn vollständig in Staatseigentum befindet, also im schlechtesten Fall eine Verschiebung von Geld zwischen den Ebenen stattfinden würde!

Einiges spricht dafür, daß sich in diesem Potential aus politischen Gegnern, konservativen Mittelschicht-Angehörigen, Naturschützern und aufrührerischer Jugend eine tiefe Unzufriedenheit mit der politischen Führung entlädt. Nur – es ist das falsche Objekt, an dem sich der Protest entzündet.
Siehe oben

Das also ist das Stück, das nicht vom Laufen handelt. Doch, halt! Auch die Befürworter von Stuttgart 21 demonstrieren – sie tun es unter anderem mit einer Laufgruppe. Fünf (inzwischen acht) solcher Protestläufe haben bisher stattgefunden.
Ironischer Weise finden die Läufe auch in dem Parkteil statt, der dem Bahnhof zum Opfer fallen soll. Aber: Auch die K21 – Befürworter haben sich bereits laufend betätigt – dies u.a. am diesjährigen StZ-Lauf am 20.06.2010 – also längst vor den S21-Befürwortern. Allerdings war da das Thema noch nicht ganz so stark in den Medien präsent, als dies heute der Fall ist... Rückblick auf den "Parkschützer-Lauf": In den Mannschafts- und Einzelwertungen wurden von den Parkschützern respektable Ergebnisse erzielt. Im Halbmarathon wurden die Parkschützer von 576 Männermannschaften 239. Im Zehnkilometer-Lauf waren wir "Stuttgart-21" auf Gesamtplatz 23 von 148 Mannschaften "davongelaufen". Auch im (Nordic-) Walking waren zwei Parkschützerinnen erfolgreich. Darüber hinaus liefen etliche Läuferinnen und Läufer mit dem am Sonntag von den "Parkschützern" verteilten Banner: "Stuttgart 21 – Zum Davonlaufen!"
Auch Olympiasieger Dieter Baumann hat dies unterstützt:
http://parkschuetzer.org/presse/Presseerklaerung_2010-06-16_StZ-Lauf.pdf
Auszug Presseerklärung der Parkschützer:
"Olympiasieger Dieter Baumann, seit kurzem ebenfalls Parkschützer (Nr. 14.735), hat den Läufern des Parkschützer-Teams eine Grußbotschaft mitgegeben: "Ich wünsche den Läuferinnen und Läufern, die ‚Stuttgart 21 – zum Davonlaufen' auf dem Rücken tragen, alles Gute für den Lauf und alle weiteren Aktionen – bis hin zum Verzicht auf Stuttgart 21"

Wer vor uns hätte sich vor Jahrzehnten vorstellen können, daß Laufen auch diese Qualität erhalten würde!
Wohl wahr!! Aber von Qualität im Sinne einer "läuferischen Freiheit" kann bei den S21-Läufern keine Rede sein. Die S21-Macher bedienen sich einer bezahlten PR-Agentur, welche bereits für die Bahn AG und für weitere S21-Organisationen gearbeitet hat, um den Lauf zu organisieren. Die Läufe sollen freiwilliges Bürgerengagement suggerieren und sind doch nichts weiter als eine bezahlte Instrumentalisierung des Laufens, die jede Läuferin und jeden Läufer nachdenklich stimmen sollte.
http://www.metronaut.de/politik/stuttgart-21-mit-pr-agenturen-gegen-demonstranten

Eintragung vom 25. Oktober 10

Es ist wieder ein schöner Tag rund um (und auf) die Dreikaiserberge bei Schwäbisch Gmünd gewesen. Ich war zwar nicht oben, aber auch die 18 Kilometer Walkingstrecke waren schön, wenn auch nicht so vielfältig wie die 50-Kilometer- und selbst die 25-Kilometer-Strecke. Der 18-Kilometer-Kurs für die Walker war neu. Er führt wie die anderen Strecken ins Hölltal, biegt dann jedoch, kurz vor km 5, ab nach Metlangen, trifft dort auf die ehemalige Bahntrasse nach Göppingen und vereinigt sich nach der Straßenüberquerung in Straßdorf mit der 50-km-Strecke. Für die Ultraläufer sollte dieser Abschnitt auf der Bahntrasse im Grunde eine Genußstrecke sein; doch einer der Läufer stöhnte lauthals: „Das zieht sich ja wie Kaugummi!“ Immerhin, die Läufer liefen. Die zu Gehern werdenden 50-km-Läufer kamen wohl erst später.

Die 18-Kilometer-Strecke verläuft größtenteils durch Wald; er öffnet sich erstmals nach etwa 8 Kilometern, wenn man die Höhe von Metlangen erblickt. Von hier an ist alles Asphaltstrecke, optimal für Radfahrer. Doch diese benützten die Strecke nur sparsam, irritierten also nicht. Von Metlangen an kannte ich die Strecke vom letzten Jahr, als ich im Ort Hohenstaufen die damalige Walkingstrecke verfehlte. Ich gestehe, es ist dann schon etwas eintönig, die Eisenbahntrasse entlang zu marschieren. Sportliche Nordic-Walker freilich mögen hier noch einmal richtig aufdrehen. Einen Fuß immer am Boden zu haben, kann ja auch nur ganz kurz der Fall sein.

Darin liegt nun das Problem für mich. Wo bei einer Langstrecke ein Walking-Kurs angeboten wird, starten fast ausschließlich sportliche Walker, solche, die langsame Läufer ohne weiteres übertreffen. Das bedeutet, ein langsamer Walker wie ich, der beim auch nur langsamen Laufen nicht mehr mithalten kann, ist auch auf der Walkingstrecke allein oder aber hat nur den offiziellen Schlußwalker hinter oder neben sich. Da ist es dann ein Vorzug der Streckenführung, daß man auf den letzten 7 Kilometern immerzu von Läufern überholt wird. Ein bißchen Sehnsucht, nun auch zu traben, keimt auf; doch ist dies viel angenehmer, als von Anfang bis zum Ende allein vor sich hin zu wandern.

  Meine 13. Teilnahme bei den 20 Veranstaltungen. Es bringt nichts, sich an die Vergangenheit zu erinnern. Oder doch? Motiviert es nicht ein wenig, steigert es nicht das Lebensgefühl des Walkers, sich an die Läufe zu erinnern? Die Bestzeit betrug im Jahr 1992 auf der damaligen 44-km-Strecke 4:43:27 Stunden. Die drei Berge waren damals aber auch schon so hoch. 1998, erstmals auf der 50-km-Strecke, waren es 6:12:55, und im Jahr 2001 lief ich 6:31:38 als Erster der M 75. Den nächsten Lauf mußte ich, als ich unter Rückenbeschwerden litt, bei km 32 wegen zu starker Schmerzen abbrechen. Nun bin ich der letzte der 43 Walker. Beim Blick zurück läßt sich das ertragen.

Am Ziel dann, dem barocken Marktplatz von Schwäbisch Gmünd, einem durchaus eindrucksvollen Ziel, der kleine Unterschied: Läufer und Walker erhalten unterschiedliche Medaillen. Allen wird das geliehene Transponderband vom Fußgelenk genommen. Einige freundliche Begegnungen mit Läufern. Da weiß man doch, weshalb man bei solchen Veranstaltungen mitmacht. Gerade eine eher kleine Veranstaltung schafft Gelegenheit dazu.

Am Prediger, dem barocken Ort der Marathon-Organisation und -Messe, stehen zwar die Baugerüste, und der erste Stock ist wegen der Restaurierung geschlossen, aber der organisatorische Ablauf litt offensichtlich nicht darunter. Im wunderschönen Refektorium fand zuvor wieder ein Vortragsabend statt. Diesmal ging es um Laufen und Psyche. Versteht sich, daß ich mir die drei Vorträge anhörte.

Der Triathlet Dr. med. Klaus Riede, Facharzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie (beim Rechberglauf 2:08:02 in M 55), behandelte die drei Fragenkomplexe: Macht Laufen glücklich? Macht Laufen süchtig? Vom Leistungsläufer zum Genußläufer? Die Glücksmomente beim Laufen führt er auf die Endorphin-Ausschüttungen zurück. Frei nach Paul Watzlawick gab er eine läuferische „Anleitung zum Unglücklichsein“: Immer am Limit laufen, wenig trainingsfreie Tage, keine Rücksicht auf die Familie, ständige Vergleiche, ignoriere die nachlassende Leistungsfähigkeit, setze Ziele unerreichbar hoch, unterbiete deine alten Bestzeiten! Der Pädagoge Marcel Egerter, früher Radsportler, sprach über „Leistungsfreude – Leistungsdruck“. Unter dem Aspekt Leistungssetzung, -fähigkeit, -bereitschaft und -bewertung riet er, sich über Anforderungen, Motivation, Tagesform und viele alltägliche Dinge im klaren zu werden, um sein Leistungspotential ausschöpfen zu können. Voraussetzung sei eine realistische Selbsteinschätzung. Michael Wolf, Mentalcoach beim TSV Kusterdingen und beim 24-h-Nationalteam Österreich (beim Rechberglauf 2:52:08 in M 45), hatte als Thema gewählt: „Balance zwischen Körper, Geist und Seele beim Ultramarathon“. Als Mobilisierung mentaler Kräfte empfiehlt er, beim Ultramarathon in Scenarien zu denken, nämlich mindestens zwischen dem ambitionierten Scenario, dem realistischen und dem Ausstiegsscenario zu unterscheiden. Die Balance finde man durch Zufriedenheit, Erfolgserlebnis und das Erlebnis der eigenen Ganzheit.

Zwar war im Refektorium Gelegenheit, Fragen zu stellen; aber das Publikum verzichtete darauf. Das mag an der Differenz zwischen der Kompetenz der Referenten und dem Wissensstand der Läufer gelegen haben, vielleicht aber auch nur daran, daß es die Teilnehmer zur Nachtruhe drängte.

Eintragung vom 18. Oktober 10

Köln-Marathon, 25. München-Marathon, Rund um den Baldeney-See, Schwarzwald-Marathon, Bottwartal-Marathon – Stoff genug.

  Was jedoch ist mein Thema? Stuttgart 21. Ein Tagebuch, so meine ich, sollte auch Befindlichkeiten wiedergeben, Wahrnehmungen, Meinungen. Dies eben nicht nur im Hinblick auf das Laufen. Das Jahrhundertprojekt, Umwandlung eines Kopfbahnhofs, Anbindung des Stuttgarter Flughafens an das Eisenbahnnetz, Neutrassierung der Bahnverbindung nach Ulm, ist inzwischen bundesweit Diskussionsthema. Täglich werden Meldungen über die Lage, über Protestdemonstrationen und nun auch Schlichtungsversuche verbreitet.

Umfragen behaupten, die Zahl der Gegner des Projekts sei größer als die Zahl der Befürworter. So kritisch ich auch bin, – ich zähle zu den Befürwortern. Es ist zwar schon lange her, daß ich bei der „Stuttgarter Zeitung“ unter anderem auch für Fragen der Eisenbahn zuständig war, aber ich meine, noch immer eine verläßliche Beurteilungsgrundlage zu haben. Ich halte das Projekt für eine großartige und wohl nicht mehr wiederkehrende Chance der Strukturverbesserung.

Kopfbahnhöfe bedeuten ohne Wenn und Aber 19. Jahrhundert, entstanden in der Zeit, als es noch kein Eisenbahnnetz, sondern nur einzelne Linien gab. Wo immer man konnte, sind später Kopfbahnhöfe in Durchgangsbahnhöfe umgewandelt worden. Als in Stuttgart der „Urbahnhof“ in der heutigen Bolzstraße ersetzt werden sollte, war im Jahr 1901 bereits an einen Durchgangsbahnhof gedacht worden. Doch die damaligen technischen Möglichkeiten in der Stadt im Talkessel ließen nicht zu, diese Absicht zu realisieren; es entstand der jetzige sehr eindrucksvolle Bau eines Kopfbahnhofs von Paul Bonatz. Der Gedanke einer Umwandlung wurde 1994 wieder aufgenommen und in einen größeren Projektzusammenhang gestellt. Der Bau mit der Untertunnelung langer Streckenabschnitte und der unterirdische Betriebsablauf sind heute machbar.

Der Plan hat mich überzeugt, wenn auch nicht uneingeschränkt. Aus dem tageslichterhellten Bahnhof soll ein U-Bahnhof werden. Ich habe zuletzt einen solchen in Monaco kennengelernt und gestehe ein, daß er gewöhnungsbedürftig ist. Der geplante unterirdische Stuttgarter Bahnhof soll jedoch oben große „Augen“ erhalten, die – anders als in Monaco – wenigstens zum Teil Tageslicht durchlassen. Doch wer sich des Schnellverkehrs bedienen möchte, darf Tunnel und unterirdische Bahnhöfe nicht scheuen. Wer hält sich schon stundenlang auf einem Bahnsteig auf? Bahnhofshallen kann man auch nicht gerade als Dome des Lichts bezeichnen. Der Abriß des Nord- und des Südflügels? Es sind ungegliederte Bauteile mit Muschelkalkstruktur, im Grunde deshalb errichtet, weil man die Stadt vor den damals verkehrenden Dampflokomotiven schützen wollte. Bäume im angrenzenden Schloßgarten, den man seit Jahren tunlichst nicht in der Dunkelheit durchqueren sollte, sind gefällt worden, 270 Bäume müssen weichen. Für den Juchtenkäfer, der hier wohnt, wird sich eine Überlebensmöglichkeit finden. Die verschwindenden Bäume sollen durch 285 Bäume, 12 Meter hoch, ersetzt werden. Nicht nur das, der Schloßgarten wird erweitert, 5000 Bäume sollen gepflanzt werden, und zwei Parks, der Schloßgarten und der Rosensteinpark, sollen dank Wegfall der trennenden oberirdischen Schienen miteinander verbunden werden. Die Grünen müßten jubeln, tun sie aber nicht, sondern haben sich an die Spitze der Protestbewegung gesetzt. Die Gegner von S 21 vertreten die Ansicht, das Projekt sei zu teuer und gefährde oder verhindere gar andere, für dringender erachtete Bahnprojekte; außerdem wollen sie die oberirdischen Gleisanlagen erhalten.

Sicher, die ursprünglich veranschlagten Kosten mußten erhöht werden. Nach aller Lebenserfahrung und in Anbetracht der Länge der Bauzeit wird es wohl auch nicht bei den jetzt errechneten Kosten bleiben. Dennoch, wenn die Bahn als Bauherr ein solches Jahrhundertprojekt angreifen will und die mehrheitliche Unterstützung der legitimierten Gremien in Stadt und Land einschließlich der Rathäuser bekommen hat, wäre dies ein Anlaß, Beifall zu klatschen. Jedoch, es wird dagegen demonstriert, und zwar mit unerwartet hoher Beteiligung. Schon dringt aus anderen Gegenden ein Grummeln: Bei Einstellung des Projekts würde man gern die ersparten Milliarden nehmen.

Ich bin am Grübeln: Die Finanz- und Bankenkrise und der Pleitestaat Griechenland haben, einschließlich der geprellten Kleinanleger, ein Vielfaches der für Stuttgart 21 vorgesehenen Summe gekostet. Doch vor den Banken haben sich keine Massen versammelt. Der Protest gegen die Verlängerung der Betriebsdauer von Atomkraftwerken vermochte nicht, die Massen so aufzurütteln wie das Projekt in Württemberg. Dabei handelt es sich hier nicht um eine Schicksalsfrage, sondern nur um einen unterirdischen Bahnhof und um Bahnstrecken.

Ich habe einen Verdacht. Womöglich geht es dem Kern der Demonstranten gar nicht um den Bahnhof. Der CDU-Ministerpräsident, Stefan Mappus, und der Stuttgarter Oberbürgermeister, Dr. Wolfgang Schuster (CDU), dessen jetzige Amtszeit im Jahr 2012 endet, sollen in die Enge getrieben werden. Am 27. März 2011 ist Landtagswahl. Jetzt ist die Gelegenheit, es den Politikern zu zeigen. Es müßte gelingen, den jetzigen labilen Zustand bis zur Wahl auszudehnen. Der Sprecher der Grünen besteht auf einem völligen Baustopp, in dieser Zeit könne man reden. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Dr. Rüdiger Grube, will davon Arbeiten des Grundwassermanagements ausgenommen wissen; anderenfalls drohe wegen des Frostes eine Verzögerung von drei bis sechs Monaten mit wöchentlichen Kosten von 2,5 Millionen Euro. Die Standpunkte scheinen unvereinbar.

Grube wird vorgeworfen, er kenne nur ein Ja oder Nein. Doch eine andere Alternative gibt es nicht. Man kann sich weder nur mit der Umgestaltung des Hauptbahnhofs begnügen noch nur mit der Neutrassierung der Strecke durch die Schwäbische Alb, wo auf der Geislinger Steige (nicht Wendlinger Steige, wie in einem bekannten Medium zu lesen war) die ICE ihre Geschwindigkeit auf 70 km/h mäßigen müssen. Die Frage in einem Medium, wer um Himmels willen denn von Paris nach Bratislava mit der Bahn fahren wolle, ist nicht anders als polemisch zu bezeichnen.

Bei allem: Die Protestbewegung kommt um Jahre zu spät. Die Gelegenheit, die Stimme zu erheben, wäre in der Zeit gewesen, bevor das Bauvorhaben in die Genehmigungsphase getreten wäre. Was Heiner Geißler bewirken kann, ist allenfalls eine Verifizierung der Kostenrechnung. Die Mehrheitsbeschlüsse in den zuständigen Gremien kann auch er nicht rückgängig machen, ebensowenig wie ein Volksentscheid, den die hin und her gerissene SPD haben möchte. Es gibt nur ein Ja oder Nein. Ein Nein würde 1,5 Milliarden Euro kosten, dazu mehr als diesen Betrag für die Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs, auf dem die Züge sich mit 30 km/h dem Prellbock nähern.

Da in meine Ansichten ein langes Stück Lebenserfahrung einfließt, erinnere ich mich: Als ich 1952 nach Stuttgart kam, hatte die Stadt gerade flammende Proteste gegen den Bau des ersten Fernsehturms, der später zum Modell für ungezählte Vorhaben in aller Welt geworden ist, hinter sich. Diesmal allerdings übersteigen die Proteste an Intensität und Ausdehnung alle bisherigen. Einiges spricht dafür, daß sich in diesem Potential aus politischen Gegnern, konservativen Mittelschicht-Angehörigen, Naturschützern und aufrührerischer Jugend eine tiefe Unzufriedenheit mit der politischen Führung entlädt. Nur – es ist das falsche Objekt, an dem sich der Protest entzündet.

Das also ist das Stück, das nicht vom Laufen handelt. Doch, halt! Auch die Befürworter von Stuttgart 21 demonstrieren – sie tun es unter anderem mit einer Laufgruppe. Fünf solcher Protestläufe haben bisher stattgefunden.

Wer vor uns hätte sich vor Jahrzehnten vorstellen können, daß Laufen auch diese Qualität erhalten würde!

Eintragung vom 11. Oktober 10

Um "Herbstgold" zu sehen, muß man es sehen wollen. Es ist ein Dokumentarfilm, ein Kulturfilm, wie wir früher sagten, bei dem vier Leichtathletik-Sportarten das Handlungsgeschehen transportieren, der aber kein Sportfilm ist.

Wenn man "Herbstgold" sehen will, muß man entweder das Internet anklicken und nachschauen, wo und wann der Film abgespielt wird, oder selbst dafür sorgen, daß er am Wohnort vorgeführt wird. Kommerzielle Kinos dürften ihn wohl kaum zeigen. Ich wollte "Herbstgold" sehen und fand heraus, daß er in diesem Jahr nur an wenigen Orten Baden-Württembergs gezeigt wird. Der nächste Termin war am 2. Oktober in Sindelfingen, kurz nachdem die Besprechung durch Axel Künkeler in LaufReport ins Netz gestellt worden war. Dazu mußte ich eine halbe Stunde mit dem Auto fahren, einige Minuten nach dem Veranstaltungslokal, der Stadtbibliothek, suchen und lange warten, bis der Film eine Viertelstunde nach der angegebenen Zeit beginnen konnte. Da es sich um einen Veranstaltungssaal und nicht um ein Kino handelte, waren die Sicht auf die Leinwand eingeschränkt und der Ton aus unbekannter Ursache fehlerhaft. Dennoch, wohl für alle im Saal, etwas über 200 Personen, war der Stoff beeindruckend.

Der Film zeigt, wie sich fünf Alterssportler auf die 18. Weltmeisterschaft alter Athleten im Jahr 2009 in Lahti (Finnland) vorbereiten. Jedoch, wie der in Sindelfingen anwesende Regisseur, Jan Tenhoven, sagte, machte zum Leidwesen der Akteure der Sport nur einen Teil des Stoffes aus. Die Fünf – aus Schweden, Deutschland, Tschechien, Österreich und Italien – werden dargestellt, wie sie leben, mit dem Verlust des Partners umgehen, den Alltag und ihre Probleme bewältigen und eben auch, wie sie trainieren. Ihr Training beschränkt sich dabei keineswegs nur auf die Disziplin, die sie betreiben; sie laufen, dehnen, betreiben Krafttraining oder Gymnastik. Ihr Auftreten in Lahti ist dann der Höhepunkt. Wir sehen den 82jährigen Hochspringer Jiri aus einer tschechischen Stadt, dessen Frau ihn zur Mäßigung ermahnt, aber zugleich versichert, anders wolle sie ihren Mann nicht haben, die 85jährige Kugelstoßerin Ilse aus Kiel, die liebevoll darüber nachsinnt, wo sie nach ihrem Umzug die Bilder ihres verstorbenen, übergewichtigen Mannes aufhängt, den 93jährigen 100-Meter-Läufer Herbert aus Stockholm. der besuchsweise in das Haus zurückkehrt, in dem er sein Leben verbracht hat, die Diskuswerferin Gabre aus Brescia, deren wahres Alter, 94 Jahre, erst hier offenbar wird, und den 100jährigen Diskuswerfer Alfred aus Wien, der nach dem Modell Akte zeichnet, hochkonzentriert Auto fährt und sich ein halbes Jahr vor Lahti ein künstliches Kniegelenk einsetzen läßt, so daß er in Lahti mit dem Rollator erscheinen muß. Der Regisseur hat bekannt, daß er 2007 in Rizzione drei weitere Film-Kandidaten ausgewählt habe. Doch keiner der Fünf ist ausgefallen; zu allen unterhalte er noch Kontakte.

Nun muß man freilich festhalten, daß die fünf Porträtierten ihren Sport lebenslang ausgeübt haben, zum Teil waren sie sogar Teilnehmer der Olympischen Spiele 1936. Jan Tenhoven betrachtet die Protagonisten jedoch so, wie sie sich selbst sehen, durchaus in der Gegenwart verhaftet, sportlich ambitioniert, aber nicht fanatisch. Grund der Teilnahme an Senioren-Meisterschaften ist vor allem die Begegnung mit Sportfreunden aus aller Welt.

Wenn dieser Film eine Tendenz hat, dann ist es diese: das Leben zu leben, wie es sich bietet, nicht Vergangenem nachzutrauern, sondern optimistisch die Gegenwart zu bejahen und das Beste aus den vorhandenen Möglichkeiten zu machen. Im Sinne der Salutogenese (Antonovsky) also ein aufbauender Film, gerade in einer Zeit, in der den Medien als hauptsächliche Perspektive des Alters die Demenz einfällt. Auch wenn der Film keine unweigerlichen Konsequenzen zuläßt, sollten ihn sich diejenigen ansehen, die sich Gedanken über ihr eigenes Altern machen. Selbst ich, der ich zu den Hochbetagten zählen kann, weiß nun, daß ich in dieser Altersgruppe noch zu den Jüngeren gehöre. Weshalb eigentlich sollte ich die Teilnahme an Lauf- und Gehveranstaltungen oder das hundertmeterweise Traben aufgeben, solange ich anderen damit nicht zur Last falle? Es mag manches lächerlich sein an der Sportausübung in hohem Alter, zumal in technikdominierten Sportarten; Jan Tenhoven und sein Team verschweigen das durchaus nicht, aber sie gründen keine Aussage darauf, wie das der "Spiegel" vor über dreißig Jahren noch getan hat.

An die Vorführung des 95minütigen Films schloß sich in Sindelfingen ein wenngleich kurzes Rundgespräch an. Professor Dr. Achim Conzelmann aus Bern, der bereits als Tübinger Student, schon im Hinblick auf seinen Vater, fundierte Untersuchungen zum Alterssport gemacht hat, trat der Frage des Moderators, des Chefredakteurs Jürgen Haar, entgegen, ob denn die Vereine und Verbände genügend zur Förderung solcher Athleten tun. Nein, sie müssen es nicht, können es auch gar nicht. Es bleibt Privatsache, ob man mit 85 Jahren die Kugel stößt oder mit hundert (als einziger dieser Altersklasse) den Diskus wirft. Mit Gesundheitssport haben diese Leistungssportarten nichts zu tun. Tipps darf man also nicht erwarten. Diese konnte auch der in Anbetracht der Protagonisten noch zu junge Reinhard Michelchen nicht geben, ein 100-Meter-Sprinter, der den Leistungsbereich des lokalen Alterssports vertrat.

"Herbstgold", bei dem die Dreharbeiten aus 150 Stunden verarbeitet worden sind, wurde gezeigt in dem Filmfestival "Lebenswelten". Ein Film für die Massen ist es wahrhaftig nicht. Das war Jan Tenhoven von vornherein klar. Um so mehr ist das intensive Engagement zu loben. Zu bedauern ist, daß der für die Gesellschaft relevante Ausdauersport nicht vorkommt.

Eintragung vom 4. Oktober 10

Immer wieder wird in Medien und Diskussionen die Frage heraufbeschworen, ob der "Boom" des Marathons, ja des Laufens überhaupt abgeflacht sei. Wenn man den Rückgang der Teilnehmerzahlen betrachte... Den Rückgang gibt es, wenn auch nicht gerade beim Berlin-Marathon, der mit 40.195 Anmeldungen wieder eine Spitze erreicht hat. Wieviel genau gestartet sind, kann man nur dann erfahren, wenn man weiß, wie viele ausgestiegen sind. 34.056 sind angekommen; 6.000 sind mit Sicherheit nicht ausgestiegen, sondern der größere Teil der Zahlendifferenz wird – zumal in Anbetracht des Regens – gar nicht erst gestartet sein. (Anm.d.Red.: Siehe dazu Leserbrief des Komminikationsleiters von SCC EVENTS Thomas Steffens HIER)

Wer sich in der Marathon-Szene auskennt, für den liegt diese Erklärung nahe: Wie in jeder Sportart hat sich das Laufen ausdifferenziert. In den letzten 30 Jahren haben wir den Import des City-Marathons erlebt, die Ausweitung und Ausdifferenzierung der Ultramarathons, die Entwicklung des Berglaufs – bis hin zum Bergultra und zum Extremlauf –, die Ausbreitung des Triathlons, die Begründung von einzigartigen Landschaftsläufen, die man mindestens einmal im Leben absolviert haben sollte, die Zunahme von Reisen zu attraktiven Laufveranstaltungen im Ausland, dazu Nischen wie den Treppenlauf. Die Zeiten sind längst vorbei, daß man, um einen schönen Landschaftslauf zu erleben, nach Bräunlingen im Schwarzwald fahren mußte. Heute sollten es schon der Swiss Alpine, der Rennsteiglauf, der Jungfrau-Marathon, der Graubündner oder der Zermatt-Marathon sein.

Da sich die Zahl der Marathon-Läufer nicht in dem Maße vergrößert hat wie das vielfältige Angebot an Laufveranstaltungen, muß es zwangsläufig zu Teilnehmer-Rückgängen bei den Wald- und Wiesenmarathons kommen. Wer – um ein regionales Beispiel zu nehmen – in diesem Jahr in Welzheim gelaufen ist, wird nicht im nächsten Jahr wieder in den Schwäbischen Wald reisen, sofern der Lauf nicht gerade vor der Haustür stattfindet. Und wer eine Anzahl Marathons absolviert hat, wird sich eines Tages entweder nach unten oder nach oben orientieren, nämlich zum Halbmarathon gehen oder eine neue Herausforderung wie den Ultramarathon oder den Berglauf suchen. Über den Verkauf des Bandes "Bieler Juni-Nächte" erfahre ich, daß viele Besteller erstmals auf den 100-km-Kurs gehen möchten, zwei sogar erst im Jahr 2012.

Diese grundsätzliche Betrachtung scheint mir angebracht, wenn ich mir das Erscheinungsbild des Spartathlons ansehe. Dieser Lauf auf den Spuren des historischen Pheidippides, 246 Kilometer von Athen nach Sparta innerhalb von 36 Stunden, hat mit 351 Startmeldungen die bisher zweithöchste Teilnehmerzahl seiner 28jährigen Geschichte erreicht. Das ist weit mehr als mancher Wald- und Wiesenmarathon aufweisen kann. Mit 48 Teilnehmern aus aller Welt hat es 1983 begonnen; die Zahl stieg bis 1990 auf 101, wieder zehn Jahre später auf 200, im Jubiläumsjahr 2007 waren es 374 Starter. Welcher Marathon – außer wenigen Ausnahmen – kann schon behaupten, daß sich seine Teilnehmerzahl in 25 Jahren verachtfacht habe?

Zu diesem Jahr: Welche Nation war unter den 351 Gemeldeten die stärkste? Nicht die Griechen und nicht die Engländer, denen dieser Lauf zu danken ist; die Japaner sind's – mit nicht weniger als 69 Meldungen. Danach kommen bereits die Deutschen – mit 45 Meldungen. Leider konnten 6 Deutsche insbesondere wegen Verletzungen zum Start nicht antreten. Im Vergleich zu den Teilnehmerlisten sind nur 325 der Gemeldeten gestartet; sie kommen aus 32 Ländern. Von den 39 deutschen Gestarteten kamen 21 ins Ziel, keine schlechte Quote. Zwei Läufer sind besonders hervorzuheben: Jan Prochaska (Berlin) belegte mit knapp unter 25 Stunden den dritten Platz. Mit dieser hervorragenden Leistung (24:55:58) hätte er in manchem Jahr auch den ersten Platz erlaufen, in anderen Jahren freilich wäre er damit, was die Placierung betrifft, leer ausgegangen.

Unvergleichlich ist die Leistung des 75jährigen Alfred Schippels. Mit einer durch den Zielschluß nicht gefährdeten Zeit von 35:23:19 Stunden ist er, auf dem 114. von 128 Plätzen, der bisher älteste Finisher des Spartathlons. Eine großartige Manifestation des Alterssports. Nach meinen Unterlagen haben bisher mindestens 11 Teilnehmer den Spartathlon im Alter von 60 Jahren oder älter beendet (mir liegen die Altersangaben nicht aus allen Jahren vor). Einige Jahre lang war ich mit 63 und 64 Jahren (1989 und 1990) der älteste; als ich im Alter von 66 Jahren noch einmal, wenngleich mit Verspätung, in Sparta ankam, meinte ich, die Altersgrenze für die hohe Anforderung definiert zu haben. Doch Max Courtillon, ein sehr guter französischer Läufer, schaffte den Spartathlon mit 70 Jahren, ein Japaner mit 72. Und nun Alfred Schippels mit 75. Im Jahr 1998, also mit 63 Jahren, hatte er den Spartathlon in 33:43:16 Stunden bewältigt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß seine jetzige Leistung so bald übertroffen werden könnte.

Die Entwicklung des Spartathlons soll hier, abgesehen von der Aktualität des Datums, als Beispiel dafür dienen, daß es nicht wenige Marathonläufer zu immer neuen Herausforderungen drängt.

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