Editorial 10. Oktober 2012

Marathonmeisterschaften im Wandel?

Seit ich den Marathonsport intensiv verfolge, immerhin schon über drei Jahrzehnte, hadert die Szene mit den nationalen Meisterschaften. Auf dem Dorf fand man zu wenig öffentliche Beachtung. Bei den aufkommenden Stadtmarathons gingen die Meisterschaften im internationalen Spitzensport schlicht unter. Mit Mainz fand sich ein Ausrichter, der wie kein anderer, nicht nur ideale Voraussetzung hatte, sondern zudem für eine Fernsehpräsentation der Meisterschaften sorgte, die nie zuvor und auch nicht danach erreicht wurde. Doch selbst unter diesen Bedingungen war es schwer, ein paar der Besten zur Teilnahme zu bewegen.

Anders als etwa in den USA war die Nominierung für internationale Meisterschaften nie an die nationale Titelvergabe gekoppelt. Auch finanzielle Anreize wie in den Staaten schuf der deutsche Leichtathletikverband nie. Für die besten Marathonläuferinnen und -läufer scheiterte die Meisterschaftsteilnahme schon daran, dass die Teilnahme bei anderen Marathonläufen lukrativer war. Bei zwei Starts im Jahr keine Nebensächlichkeit für Athleten, die auf Einkünfte aus dem Sport angewiesen sind.

Verständlicherweise gehen die Ansichten auseinander. ‚Man braucht kein Profi zu sein und es muss im Sport kein Geld geben.' Ansichten, die man haben kann und für die auch einiges spricht. Ob mit höheren Geldpreisen und einer guten finanziellen Unterstützung unserer Talente bessere Ergebnisse zu erzielen sind, liegt nahe, aber bewiesen ist es nicht. Beispiele zeigen, dass dadurch eben auch ein erhöhter Leistungsdruck entsteht, dem nicht alle gewachsen sind.

Nun geht man beim München Marathon einen neuen Weg. Titelgewinner bei den Deutschen Meisterschaften erhalten einen Zeitbonus für die Weltmeisterschaftsnorm bzw. sie sind mit Erfüllen der B-Norm im kommenden Jahr in Moskau dabei. Anstatt 2:12:45 h bei den Männern, reicht für den Deutschen Meister dann eine 2:14:00 h. Bei den Frauen könnte genau dieses Einlenken auf 2:30:30 h anstelle der A-Norm von 2:29:00 h den Start für Susanne Hahn oder Julia Viellehner ebnen.

Durchaus ein Anreiz für die Meisterschaftsteilnahme, denn die 1:15 Minuten bei den Männer bzw. 1:30 Minuten bei den Frauen, könnten für gleich mehrere Kandidatinnen und Kandidaten den entscheidende Vorteil bringen, der den Weg zur internationalen Karriere ebnet. Die Deutsche Meisterschaft bei Beibehaltung dieser Aufwertung als Sprungbrett zu nutzen, das dürfte in Zukunft viel mehr Beachtung finden, als noch in diesem Jahr, wo allein schon die kurzfristige Vergabe, der teils noch in Hamburg erwarteten Titelkämpfe nach München alles andere als optimal war.

Walter Wagner

Editorial 7. September 2012

Irgendwie läuft´s nicht

Man kann es drehen und wenden wie man will, der DLV als oberste Vertretung der Läuferinteressen trifft nicht den Nagel auf den Kopf. Sei es mit einem nicht akzeptierten Regelwerk, das Jugendliche (U16) vom Berglauf ausschließt, oder beim harten Kurs in Sachen Olympiateilnahme, wo beim Marathon etwa Anna Hahner wegen 14 Sekunden nicht für eine Nominierung vorgeschlagen wurde. Zwar sind Umfragen bei RunnersVOTE nicht repräsentativ - immerhin ist dort aber die Zahl der abgegebenen Stimmen genannt, was bei Umfragen in Massenmedien nicht selten unterbleibt - doch sind die Verhältnisse in einem so hohen Maße eindeutig, dass sich daraus durchaus Volkes Stimme ableiten lässt. So forderten 70 Prozent eine Änderung der neuen Regel beim Berglauf hinsichtlich der Aussperrung der U16.

 

Noch drastischer das Abstimmungsergebnis zur sturen Einhaltung der verschärften DLV-Olympianorm im Fall Hahner. Sicher hätten viele auch gern Sören Kah in London gesehen, der die internationale Anforderung erfüllt hatte. Doch ohne Medaillenchance, eben auch kein Marathonläufer bei den Olympischen Spielen.

In seinem Blog zeigt AndrePollmächer Verständnis für seinen Verband, der ihm wohl klar mitteilte, lieber einen weiteren erfolgreichen Werfer zu fördern, als einen international aussichtslosen Langstreckenläufer. Siehe unter ...
http://www.andre-pollmaecher.com/2012/09/05/die-schuldfrage-stellt-sich-niemals

Man kann sich hinter den Deutschen Leichtathletikverband stellen, doch viele Läuferinnen und Läufer stellen sich dagegen, sind uneins mit den Funktionärsentscheidungen, fühlen ihre Interessen nicht gut vertreten. So endete die RunnersVOTE Umfrage zur Nichtnominierung der Marathonläufer Hahn und Kah mit einem klaren Ergebnis. Von 151 abgegebenen Stimmen waren 90,7 Prozent der Ansicht, dass dies eine Fehlentscheidung war. 137 plädierten für ein erweitertes DLV Aufgebot. Nur 14 glaubten an berechtigte Gründe des Verbandes beim Marathon keine Ausnahme zu machen. Dass der DLV etwa beim Frauen-Hochsprung Gnade walten ließ und der DOSB auch alle DLV Wunschkandidaten gen London durchwinkte, dürfte die Stimmung eher verschlechtert haben.

Mag sein, dass es legitim und aus bestimmten Blickwinkeln richtig ist, die Leichtathletikdisziplinen nach jeweiligen Medaillenchancen zu gewichten. Es hängen ja auch nach wie vor Geldflüsse von der Platzierung im Medaillenspiegel ab. Aber mit etwas Fingerspitzengefühl, würde man so manche Entscheidung davon abhängig machen, wie populär z.B. der Marathonlauf nun einmal ist. Mit "Runday Monday" und mit "My-City-Run" Aktionen, den - was weiß ich wie vielen - Millionen Freizeitjoggern zu demonstrieren, man wäre seitens der organisierten Leichtathletik am Puls der Zeit, nützt da herzlich wenig. Zumal in beiden Fällen die Konzepte zwar als erfolgreich verkauft wurden, hinter vorgehaltener Hand aber selbst Verbandsleute unverblümt von Katastrophen sprechen. Dabei wünschten sich sicher viele etwas mehr Laufaffinität seitens des DLV und seiner Regionalgruppierungen. Aber irgendwie läuft´s nicht.

Walter Wagner

Editorial 7. August 2012

LaufReport olympisch

Ein Juli, wie wir noch keinen hatten. Die Rede ist nicht vom Wetter. Wie zu erwarten, dreht es sich um die Besuche des Internet-Journals LaufReport. Mit 86.475 verzeichnete der Juli 2012 mehr Besuche als alle seine zehn Vorgänger. Dabei gelang es nur knapp den Erfolgs-Juli 2011 zu toppen, aber 0,4 Prozent war die Steigerung am Ende doch. Auch konnten wir virtuell den 8-millionsten Besucher begrüßen. Voller Ungeduld warteten wir einst darauf, dass der Besuchszähler auf die erste Million umspringt. Immerhin dauerte dies fast drei Jahre. Fast verdreifacht hat sich also die Verbreitung seit den Anfangsjahren.

 

Damit es sich weiterhin lohnt, LaufReport aufzurufen, scheuen wir weder Mühe noch Kosten. Dass wir mit unserem Berichterstatter René van Zee in den Genuss kommen, über einen der ganz wenigen freien Journalisten zu verfügen, die für die Leichtathletik bei den Olympischen Spielen akkreditiert sind, dürfte vielleicht sogar ein Alleinstellungsmerkmal einer verbandsunabhängigen deutschen Laufsportseite im Internet sein.

Wir freuen uns über das ungebrochene Interesse unserer Leser und über die vielen aufmunternden und lobenden Reaktionen aus diesem Kreis. Für uns ist dies auch Verpflichtung.

Walter Wagner

Editorial 28. November 2011

 

Egal wie man in den Wald hinein ruft -
es schallt nichts heraus

"Weißt Du, wie lange Du kein Editorial mehr geschrieben hast?" - Ja, mir war es bewusst. Überfällig war die Erledigung dieser Aufgabe. Doch half weder Lob noch Tadel. Über ein paar Ansätze kam ich nie hinaus. Für LaufReport blieben es erfolgreiche Monate. Zu hoch bewerten, will ich meine "Ansprache" also nicht. Es mangelte durchaus nicht an Themen. Das eine und andere kann aber als ausgesessen abgehakt werden. Manches wiederum, was mir unter den Nägeln brannte, bin ich auf anderen Wegen los geworden. RunnersVOTE sei hier genannt, die Umfrageseite. RunnersVOTE hat sich als Ventil bewährt, Vorkommnisse aufzugreifen, sie bekannt zu machen und zur Abstimmung, vielleicht sogar zur Diskussion, vorzuhalten.

Eine Entscheidung herbeizuführen, ja selbst sie nur zu beeinflussen, dies gelingt uns dabei kaum. Auch LaufReport, mit seiner großen Verbreitung von nun mehr als einer Million Besuchen im Jahr, scheint nicht geeignet, Einfluss zu nehmen. Frust kommt bei mir deshalb nicht auf. Seines zu sagen, das allein tut schon gut. Die Aufgabe des Journalisten ist es nicht, Lösungen zu erarbeiten und diese durchzusetzen. Nicht wegsehen, Finger in Wunden legen, okay, aber heilen? Und, schon mit Minimaleingriffen ecken wir an und bekommen zu hören: "Das hat in einem journalistischen Beitrag nichts verloren." Gut gebrüllt Löwe, aber etwas Auslauf im Gehege gönnen wir uns eben.

Etwas nicht oder es anders zu machen, ist nicht gleichbedeutend mit Recht zu haben oder gar die eigene Haltung anderen abzuverlangen. Selbst Kritik kann nutzbringend sein. Es bedarf dazu aber gewisser Fähigkeiten auf beiden Seiten. Dass LaufReport etwa keinen Facebook-Account eingerichtet hat, ist eine interne Entscheidung und kein Angriff auf jene, die sich dort in Szene setzen. Kommunikationswege ändern sich, keine Frage. Wie selten sitze ich noch vor dem Fernsehgerät? Ich bin noch nicht einmal auf digitalem Empfang und überlege, wie bereits vor Jahren praktiziert, die erforderliche Umstellung zum Anlass zu nehmen, mich wieder gänzlich der staatlich gelenkten "Meinungsbildung" und der überwiegend peinlichen Unterhaltung zu entziehen.

Unter ständiger Hinterfragung steht auch der Laufsport. Nicht nur Veranstalter beobachten permanent den Markt. Zahlen, gerade rückläufige, wollen interpretiert sein. Die Medien spielen dabei eine gewichtige Rolle. Teilnehmer gewinnen, Sponsoren überzeugen, Rückhalt am Austragungsort schaffen, das geht mit den Medien im Boot leichter. Auch Innovationen müssen erst bekannt werden bevor sie Erfolge bringen. Doch finden sie einmal veröffentlicht auch rasch Nachahmer. Alleinstellungsmerkmale sind als solche im Nu dahin, bleiben mitunter aber unverzichtbar und müssen weiterhin als zusätzlicher Arbeitsaufwand bewältigt werden. Ergebnis-DVD, SMS-Service, Zieleinlaufvideo, Finisherfotos, Live-Berichterstattung um nur die "Klassiker" beispielhaft zu nennen. Was eine Großveranstaltung auf viele Schultern verteilt, kann ein kleines Team erdrücken. Wir sind bei Facebook, wir twittern, wir versenden Newsletter, wir bietet dieses und jenes…

Noch nicht genannt habe ich YouTube. Dort einen Film anzubieten, scheint derzeit für Veranstalter die neue Pflichtaufgabe zu werden. Natürlich gibt es Produktionsunternehmen, die bei der Erfüllung dieser Aufgabe behilflich sind. Inwieweit ein Film aus der Talsohle hilft, wird sich zeigen müssen. Bei YouTube etwa kommt jede Minute eine erstaunliche Menge an Filmstunden neu hinzu. Über Zufallszuschauer Teilnehmergewinne zu realisieren, scheint doch eher vage zu sein. Filme nutzbringend zu verwenden, wird Großveranstaltungen viel besser gelingen, während kleine Veranstalter, die schon an den Produktionskosten zu knabbern haben, sie kaum effektiv einsetzen können. Dennoch, das bewegte Bild erlebt dank schnellerer Internetanbindung sowie iPhones und Tablets eine Renaissance. Und sollte es gar Marathonfinisherzahlen ansteigen lassen, hätte niemand etwas dagegen.

Wieder Weltrekord in Berlin und um ein Haar gleich noch einer in Frankfurt. Im Dutzend bewegte sich der Elitetrupp lange Zeit auf Rekordniveau. 2:05 in New York! Wer hätte das für möglich gehalten. Marathon wird immer schneller gelaufen. Mahnend wird der Dopingverdacht formuliert. Eine Erklärung für diese Leistungssteigerung könnte sein, dass die neue Elitegeneration an der Erfahrung partizipiert, die deren Trainer am eigenen Leib gemacht haben. Also, die Vorgängergeneration, der man erst am Ende der Karriere zugestand, das Marathonlaufen gelernt zu haben. Ob doch unerlaubte Manipulation im Spiel ist, werden wir, so lehrt die Geschichte, zeitversetzt aufgetischt bekommen. Spekulationen aufzustellen, das kann man machen, muss es aber nicht. Ob 100.000 US-Dollar den Kenia-Runner in die gesundheitsgefährdende Trickkiste greifen lassen, was für manch schlechtbezahlten Journalisten nachvollziehbar wäre, ja quasi ein Beweis an sich? Ein schöner Batzen, doch im Marathonmonat Oktober wurden auch andere Zahlen verkündet. Von 22,5 Millionen war die Höchstbörse bei Tennisturnieren auf 24,7 Millionen US-Dollar geklettert. Dabei gehen an Sieger und Siegerin jeweils 2,18 Millionen. Und im gleichen Monat wurde ein Fußballspieler zu 1,15 Millionen Euro Strafe verdonnert, weil er sich weigerte zu spielen. Anders ausgedrückt: ihm wurden wegen Arbeitsverweigerung vier Wochengehälter gestrichen.

Seltsames tat sich aber auch beim Laufsport. Einen Fairnesspreis allein dafür zu vergeben, weil das bestehende Regelwerk der Leichtathleten akzeptiert wurde, war so eine Geschichte beim Rennsteiglauf. Aber bezeichnen wir sie als verjährt. Ein paar Vorsätze für das kommende Jahr habe ich schon. Gleich zu Beginn werden wir unser 10-Jahrjubiläum feiern und übers Jahr will ich die Disziplin aufbringen, aktuelle Vorfälle in Editorials wieder zeitnah aufzugreifen. Die Absicht ist hiermit erklärt.

Walter Wagner

Editorial 12. November 2010

Gestern nicht getwittert – heute nicht bei Facebook

LaufReport schreibt seine eigene Geschichte. Doch wir verfolgen sehr genau, die rasanten Entwicklungen im Internetverteilungskampf. Als wir mit LaufReport noch in den Anfängen steckten, stellte sich bereits die Frage, ob man ohne einen Platz auf dem T-online Portal überleben könne. Im Laufe der Jahre machten wir uns immer wieder Gedanken über neue Mitbewerber auf dem Markt. Würden sie uns Luft zum atmen lassen? Aber dann erreichten sie nicht annähernd die hinaus posaunten Vorhersagen. Für Insider keine Überraschung. Alte Hasen wissen, dass Ertrag und Aufwand eines Laufsportportals kein gesundes Verhältnis erreicht. Wem satte Gewinne vorschweben, der ist in unserer Nische eindeutig zur falschen Zeit am falschen Ort.

 

Was die Qualität einer lebendigen Internetseite ausmacht, verlangt die Investition einer unglaublichen Menge von Arbeitsstunden. Diese Tatsache hat uns bisher vor gleichwertigen feindlichen Übernahmen unseres Konzepts geschützt. Selbstverständlich geht es nicht allein um Masse. Was LaufReport ausmacht, ist die aufwendige individuelle Präsentation der Inhalte, die ein Content Management System so nicht leisten kann. Das wir Handwerk bieten, wo industrielle Fertigung längst Standard ist, wird mitunter belächelt. Dass immer wieder gerade unsere Art der Darstellung von Wort und Bild gelobt wird, rechtfertigt den erheblichen Mehraufwand und macht einen Teil unseres Erfolges aus.

In unseren Anfängen, galt ein Forum als Erfolgsgarant für eine Internetpräsenz. Bald kam mit "web 2.0" die interaktive Generation des technisch rasant fortschreitenden Internets. Höhere Übertragungsgeschwindigkeiten, kaum erhoffte Speicherkapazitäten und ständig noch schnellere Computer, alles für immer weniger Geld, revolutionierten den WeltWeitenWahnsinn. Multimedia, Livestream, Live-Ticker und täglich neue Schlagworte sind Kampfansagen eines schnelllebigen Online-Journalismus, der zunehmend konservativ arbeitende Journalisten verunsichert oder den Arbeitsplatz kostet.

Foren verloren überraschend schnell an Boden, die Community war auf einmal angesagt. Sich austauschen in einem sozialen Netzwerk, dort Mitglied sein und sich als zugehörig fühlen. Kurzum, virtuelle Beziehungen eingehen. Aber Communities traten bald auch auf der Stelle. Alles was herkömmliche Communities boten, ist bei Facebook besser, heißt es jetzt. Communities und Foren werden gar nicht mehr gebraucht.

Es geht um Milliardengewinne, Freunde. Dem Zufall wird nichts überlassen. Die Daumenschrauben werden enger werden, die sich weltweit Millionen "friends" kritiklos selbst anlegen. Facebook wird nicht das Ende der Fahnenstange sein. Reichlich Beute ist schon gemacht, doch unersättlich ist das Macht- und Profitstreben. Investitionen werden getätigt und Konsortien gebildet für den anstehenden Wechsel zum "software- und speicherfreien" Computer. Eine Revolution unübersehbaren Ausmaßes. Entziehen kann man sich dem Wandel nicht. Sicher wird es im Übergang noch eine Zeit den uns vertrauten Blechtrottel geben, dem wir unsere Geheimnisse anvertrauen können. Doch bald werden wir alle unsere Daten und Aufzeichnungen irgendwo in der virtuellen Welt irgendwem anvertrauen müssen. Obwohl wir ja jetzt auch schon nicht genau wissen, wer sich im Onlinestatus alles durch unseren Computer wühlt, wird dann eine neue Qualität erreicht: Georg Orwell lässt grüßen.

Bald wird es im Handel nur noch Geräte geben, deren Aufgabe sich darauf beschränkt, uns einen Zugang zum Internet zu verschaffen. Wir nutzen dann nur noch die dort bereitgehaltene Software und sparen uns die Anschaffung. Unsere Daten lagern wir auf unseren Accounts, auf die man von überall zugreifen kann. So eine "Dock Station" wird den Bruchteil eines heutigen Computers kosten und die Programme werden jeweils auf dem neuesten Stand sein. Okay, wir werden uns hie und da wundern, warum das eine oder andere treffsichere Angebot in unserem Briefkasten, pardon in unserer Mailbox landet. Aber verstehen wir das doch nicht gleich als Eingriff in unsere Persönlichkeitsrechte, bezeichnen wir es einfach als Service.

Computer weiterhin mit Home-Software betreiben? – Das dürfte schwierig werden. Sowohl die dafür erforderliche Hardware als auch die Software werden unerschwinglich teuer und mit der dadurch geringen Nachfrage bald aus den Regalen verbannt werden. Die Megakonzerne werden mit weiteren kaum überwindbaren Hürden uns auf die Internet-Festplatte bringen, da brauchen wir uns nichts vormachen.

Aber warum so skeptisch? Im Ergebnis erwartet uns ein weltumspannendes soziales Netzwerk und wir werden alle Freunde.

Walter Wagner - Foto © Thomas Guthmann

Editorial 19. Dezember 2009

Leichtathletik in Bewegung

Harte Zeiten für Sprinter, die sofortige Disqualifikation beim ersten Fehlstart wird Ordnung schaffen und die Auftrittsdauer der schnellen Frauen und Männer halbieren. Vor allem in der Halle können sich Veranstalter intensiv Gedanken machen, was man dem Publikum stattdessen bietet. Wie wäre es mit einem richtigen Pausenclown?

Disqualifikationen gab es beim Lakefront Marathon im US-Bundesstaat Wisconsin aus anderen Gründen. Die schnellste Frau brachte sich ums Preisgeld wegen Getränkeannahme außerhalb der offiziellen Verpflegungszone, die zweitschnellste ereilte das gleiche Schicksal wegen der Benutzung eines iPods. Irreführend ist in Medienberichten die Aussage, es handle sich dabei um Verstöße gegen USA Track and Field Regeln, denn diese Regeln haben international Gültigkeit. Doch so einfach wie es klingt, ist das Ahnden nicht, eine Regelverletzung muss nachweisbar sein und mitunter bedarf es zunächst einer Verwarnung.

Derlei Rechtsstreitigkeiten gehen gerne aus wie das Hornberger Schießen. Lautstark verschießt die eine Seite ihr Pulver und der Kontrahent kann dann den erfolgreichen Gegenzug ohne großen Widerstand lancieren. Doch wer am längeren Hebel sitzt, zeigt sich oft erst im Nachgang. Wer gegen wen und warum klagt, das trägt im Sport seltsame Früchte. Ein als beleidigend angesehener Eintrag ins Forum der DUV bewegte den DLV, genauer die eingespannte DLP (Deutsche Leichtathletik Promotion- und Projektgesellschaft), eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu fordern. Eine Erklärung wurde, wenn auch modifiziert, abgegeben, der Eintrag aus dem Forum entfernt, die Erstattung der Anwaltskosten jedoch abgelehnt. So folgte ein gerichtlicher Vergleich. Die Deutsche Ultramarathonvereinigung sollte anteilig nur noch 100 Euro zahlen, lehnte dies aber auch ab. Im November musste sich ein Amtsgericht mit der Angelegenheit befassen. Die Klage der DLP wurde abgewiesen und eine Berufung nicht zugelassen. Aus die Maus. Nun stellt sich die Frage, wie ein erwünschtes und erwartetes Miteinander im Sport so in den Hintergrund treten kann, Fronten sich dermaßen verhärten, dass das Beschreiten des Rechtswegs bei einer solchen Belanglosigkeit überhaupt in Erwägung gezogen wird.

Inwieweit diese Niederlage eine Rolle spielte, dass der DLV die Vergabe nationaler Meistertitel für den 100km-Lauf auf Eis legte, bleibt im Bereich der Spekulation. Es liegt aber auf der Hand, dass dieser Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht haben könnte. Nun sind Ultramarathonläuferinnen und -läufer eben wieder "abgestiegen". Man könnte auch sagen, die Hervorhebung der 100km-Distanz-Läufer im Ultramarathonlager hat ein Ende. Es bleiben nun wieder für alle nur die als Meisterschaften titulierte Vergleichskämpfe der Interessensorganisationen, mit dem offiziellen Status von Vereinsmeisterschaften. Was in großer jahrelanger Anstrengung gelang, die 100 km als Meisterschaftsdisziplin im DLV durchzusetzen, ist schon nach wenigen Jahren nur noch Geschichte. Es wurden als Gründe unbefriedigende Leistungen sowie zurückgehendes Teilnahmeinteresse laut. Doch Mängel gibt es in dieser Hinsicht auch in anderen Disziplinen. Ob der DLV sich umstimmen lässt, wie vor Jahren, als die Abschaffung der nationalen Meisterschaften im 10-km-Straßenlauf nach einer Protestwelle zurückgenommen wurde? - Wohl eher nicht. Damit dürfte auch auf lange Sicht das Bestreben gescheitert sein, den 24h-Lauf als offizielle Meisterschaftsdisziplin beim DLV durchzusetzen. Ultramarathon hat seinen Ursprung außerhalb der Verbandsstrukturen. "Independent" – so lebte man seinen Sport. Mit der DLV-Anerkennung begann man bei 100km-Läufen verstärkt auf Wettkampfbestimmungen zu achten. Die Einmischung offizieller Beobachter des Leichtathletikverbandes löste einigen Unmut aus und so mancher regelmäßige Mitläufer verabschiedete sich aus der Szene. Etwa disqualifiziert zu werden, nur weil ein Getränk wenige Meter hinter der offiziellen Verpflegungszone vom zu spät herbeieilenden Helfer angenommen wird, das musste man sich nicht antun, das war nicht die Spielwiese, auf der man sich tummeln wollte. Ärger blieb über die Jahre der Begleiter. Ob bei der Verpflegung, beim Einsatz von Kopfhörern zum Musik hören, beim Tragen der Startnummern in Freistilmanier, immer wieder eckten Ultramathonis an. Mit der Anerkennung hatte die Freiheit ein Ende und es zeigte sich schon damals: Es passen nicht Alle unter einen Deckel.

Im Jahr 2010 bekommt der Champion-Chip richtige Konkurrenz. Der Düsseldorf Marathon ist schon auf den neuen Transponder umgestiegen, der beim New York Marathon eingesetzt wurde. "Chronotrack" wird ein Wort sein, welches nicht nur Veranstalter bald im Schlaf aufsagen können. Nicht nur die Zeitmessung ist dabei Thema, die Vermarktung greift viel weiter. Serviceleistungen reichen immer mehr in den Mobilphon-Bereich. Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Ergebniseinblendung. Den "Handy-Surfern" werden sich bald schon während der Zielverpflegung die Marketingstrategen annehmen. Neben allerlei Brauchbarem und Belanglosen wird das "Finisher-Handy-Paket" bestimmt auch werben. In der Euphorie des Zieleinlaufes lässt sich der "Marathon Mann" - oder die Frau - bestimmt leicht gewinnen? – Doch der Chronotrack kommt nicht allein. Es gibt weitere Transponder mit innovativer Technologie mit denen um Marktanteile gekämpft wird. Aber selbst bei Veranstaltungen mit dem Champion-Chip kommt Bewegung ins Spiel. Die Ausleihpraxis ist wieder auf dem Prüfstand. Derzeit wird der Anteil von Läufern mit eigenem Champion Chip von Veranstaltern mit um die 50 Prozent angegeben. Die Hälfte zahlt also Leihgebühr und holt am Ende das hinterlegte Pfandgeld wieder ab. Kein geringer Aufwand und unbeliebt auch das Schlangestehen an der Kasse. Es wird sich zeigen, ob neue Technologien in dieser Hinsicht vorteilhafter sind. Dass es in Zukunft besser gelingen wird, Betrug beim Lauf, und sei er nur leichtfertig und ohne böse Absicht erfolgt, abzustellen, ist nicht abzusehen. Transponder sind nun einmal nicht in der Lage die Altersklasse und das Geschlecht des Trägers zu prüfen. Vorfälle wie in New York, wo ein M30er in der M70 lief, bzw. ein Mann mit weitergegebenen Startutensilien um ein Haar einen Altersrekord der Frauen gebrochen hätte, wird man ohne zusätzliche Kontrollen mit keinem Transponder unterbinden können.

In Funktionärskreisen ist es Thema, die deutsche Altersklassenregelung könnte bald auf internationalen Standard wechseln. Das heißt, die jeweilige Klasse wird erst am Geburtstag erreicht. Gefordert sind schon jetzt Zeitnehmer und Veranstalter, denn die Eingabe eines Geburtsjahres genügt dann nicht mehr. Doch längst ist das Speichern persönlicher Daten zum echten Problem geworden. Es ist zu erwarten, dass der Veröffentlichung des Geburtstags häufig nicht zugestimmt wird. Der Ärger ist programmiert. Auch Falschangaben könnten zunehmen und somit die Zuordnung in falsche Altersklassen, nicht leichtfertig, nicht aus böser Absicht, sondern zum Schutz der Privatsphäre.

Es wird spannend, das Laufjahr 2010. Besonders erfreulich ist die Renaissance des Crosslaufs. Als hätte man mit dem "Trail-Run" diesen schlafenden Hund geweckt, schießen plötzlich Angebote für diese leistungsfördernde ursprüngliche Form des Laufens wie Pilze aus der Erde. Ein etwas "moderner Anstrich" macht die kräftezehrende Schmuddelei auch für weniger Ambitionierte zum rundum Vergnügen. Spaß steht plötzlich beim Cross im Mittelpunkt, der anderswo verloren scheint.

Es bewegt sich was – und das immerhin passt doch zum Laufen.

Walter Wagner

Editorial 30. Juli 2009

Sport - Spiel - Spaß

"Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, im nächsten Leben, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. Ich würde nicht so perfekt sein wollen, mehr entspannen." Dies ist ein Auszug einer Aussage von Jorge Luis Borges (* 24. August 1899; † 14. Juni 1986), einer der bedeutendsten argentinischen Schriftsteller. Diese machte er kurz vor seinem Tod. Weiter belehrte uns dieser weise Mann, dass das Leben nur aus Augenblicken bestehe und er in einem erneuten Leben versuchen würde, nur mehr gute Augenblicke zu haben.

 

Jorge Luis Borges hinterlässt uns einen Gedanken, den es nicht ohne Maß und Ziel zu befolgen gilt. Denn daraus abzuleiten, einfach zu machen, was man wolle, ohne jede Rücksichtnahme, wäre verantwortungslos. So wollte der Denker sicher nicht verstanden werden. Doch den Mut haben, Fehler zu machen, auch den Mut, diese einzugestehen und Mut zur Veränderung, das könnte als Ratschlag gemeint sein. Auch im Laufsport muss Veränderung möglich sein. Da sind kreative Lösungen gefordert, nicht das eiserne Festhalten an Regeln. Bedenkt man, dass alleine im LaufReport Team Ansichten oft gegensätzlich sind, kann man vorweg schicken, dass auch jedwede Änderung sowie selbst das Festhalten am Bestehenden auf Ablehnung stoßen wird.

Meine Flugphase beim LaufReport Einsatz in Mainz entging dem Kollegen nicht.

Foto © Thomas Zöller

Sport braucht Regeln. Sei es der Geher, dem die Kelle blüht, wenn er in den Laufschritt fällt; sei es der Läufer, dem eine Disqualifikation droht, wenn er die vorgegebene Bahn verlässt. Das Regelwerk für Leichtathletik ist sehr umfangreich. Nur wenige Läuferinnen und Läufer sind bereit, sich intensiver damit zu befassen. Häufig hat ein aufkeimendes Interesse daran rein persönliche Gründe und entsprechend ist der Blickwinkel. Ein Regelwerk äußerst konservativ zu behandeln, gibt Sicherheit. Man kann sich darauf verlassen, dass nicht Knall auf Fall sich das Gewicht der Kugel bei den Stößern ändern wird; oder die Höhe der Hindernisse bei Laufdisziplinen. Denkt man etwa an die aktuellen Schwimmanzüge, die nach der WM verboten werden und die Schwimmgemeinde mit Weltrekorden für die Ewigkeit zurücklässt, wird bewusst, ein Regelwerk braucht auch Reformen. In Zeiten des Wandels mitunter sogar ohne jeden Zeitaufschub.

Reagieren die Verantwortlichen bei Bedarf nicht oder nicht schnell genug, wird Verhalten zur Regel. Betroffene und Vorteilsnehmer schaffen Fakten. Wer darf Meisterschaften ausschreiben? Wie behandelt man eine Transsexuelle beim Laufsport? Wie erstellt man Ranglisten? – Geübte Praxis wird zum tolerierten Regelverstoß, etwa bei nach Nettozeiten sortierten Platzierungen. Hierbei wird obendrein deutlich, dass derart aufgeweichte Regeln die Veranstalter benachteiligt, die daran festhalten. Immer wieder erhalten wir Zuschriften zu diesem Thema. Mal von Befürwortern der Nettozeitrangfolge, mal von denen, die sich für den Erhalt der regulären Listung nach Einlauf einsetzen.

Veranstalter bieten gern aus organisatorischen Gründen die Nettozeitlistung an: weniger Startgerangel, keine Beschwerden wegen beim Start verrinnender Sekunden bis hin zur Aufteilung in zeitverzögert startende Blocks. Facettenreich sind Vor- und Nachteile. An der vorgegebenen Regel der Einlaufliste halten immer weniger fest. Doch die Diskussion setzt sich fort und die Unsicherheit wächst. Neuerdings heißt es, die Rangliste nach Einlauf sei nur bei Meisterschaftsläufen Pflicht. Wie auch immer, bei unüberschaubar großen Startfeldern und zeitverzögert startenden Blocks wäre die reine Listung nach Einlauf ein Hohn. Schon seit Jahren werden Einlauflisten mit einem Bruch erstellt, also einem Wechsel zu den Nettozeiten etwa ab dem Platz 10, 50 oder 100. Neu ist, auch die Erstplatzierten nach reiner persönlicher Laufzeit zu listen.

Vor Jahren änderte sich beim München Marathon deshalb der dritte Rang bei den Frauen, was zu heftigen Einsprüchen führte. Wenige Jahre später haben wir die Situation beinahe jedes Wochenende: die ersten drei Läuferinnen und Läufer im Ziel, sind nicht die auf dem Siegerpodest. Es gab mal wieder schnellere Teilnehmer, die später losgelaufen waren. So etwa startete gerade eine Debütantin beim Zermatt Marathon nicht im Eliteblock und schaffte es aus dem später gestarteten Hauptfeld heraus noch aufs Podest. Sicher ein Novum und aus verschiedenen Gesichtpunkten auch fragwürdig. So ist ein Teilnehmer aus einem später startenden Block nicht im Fokus der Konkurrenten und der Kampfrichter. Ein derart veranstalteter Lauf verliert seinen ursprünglichen Charakter und wird zum Einzelzeitrennen. Ein Kräftemessen mit Spurtentscheid wird bei Nettozeit-Listung absurd. Doch klammern an die Paragrafen hilft nicht weiter. Die mit Mühe gewonnene Masse an Teilnehmern darf nicht unberücksichtigt bleiben. Dennoch, am Start sollten alle wissen, ob sie an einem Wettrennen gegen die anderen oder an einem "Einzelzeitrennen" mit Nettozeitlistung teilnehmen. Besser vor Abgabe der Anmeldung, denn dann könnte nach Neigung auch ein Meldeverzicht erfolgen.

Mit der Einhaltung der Regel "Platzierung nach Einlauf" bei Meisterschaften könnten diese Rennen an Wert gewinnen, ist für diese doch verschlepptes Tempo fast ein Markenzeichen. Dagegen ist diese direkte Auseinandersetzung mit dem Gegner für einen Freizeitläufer, dem das Bewältigen der abgeforderten Distanz allein Kopfschmerzen bereitet, doch gar kein Thema. Also, warum nicht zweigleisig fahren? Muss es bei jedem Freizeitspaß wie bei Deutschen Meisterschaften zugehen? Schon Volksläufe und bestenlistenfähige Straßenläufe könnten nach unterschiedlichen Regeln ausgetragen werden. Ernsthafte Wettkampfkontrollen und die rigide Durchsetzung der Wettkampfbestimmungen würde Meisterschaftsläufe sportlich herausstellen.

Wie wertvoll Kompromisse sind, zeigt sich gerade beim Mainlauf-Cup, einer großen Laufserie im Rhein-Main-Gebiet. Die Teilnahme einer Transsexuellen ließ die Wogen im Verlauf der ersten Rennen immer höher schlagen. Im LaufReport wurde dieser Punkt mehrmals aufgegriffen. Ausgrenzung und Übergriffe drohten. Nun setzten sich Organisationsvertreter des Cups sowie des Leichtathletikkreises zusammen. Bei einer Anhörung fand man zunächst für die laufende Saison eine Lösung. Diese wird in den nächsten Tagen der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Sie zeigt, dass sich mit etwas gutem Willen im Volkslaufbereich eine für alle Betroffenen zufriedenstellende Praxis auch für so ein spezielles Problem finden lässt.

Zunehmend verbreitet sich die Unsitte privat ausgeschriebener Meisterschaften. Man mag dies noch Vereinen zubilligen, die damit ihre gut gemeinten Ziele erreichen wollen. Doch selbst dann ist in Zeiten einer allgemeinen Uninformiertheit die Vergabe von "Vereinstiteln", etwa dem eines Deutschen Meisters fragwürdig. In der heimischen Presse werden solche "Meister" oft ohne Einschränkung und Richtigstellung genannt. Doch es gibt auch rein wirtschaftliche Interessen, die hinter einer "Meisterschaft" stehen. Das Produkt "Wettbewerb" wird markttechnisch mit einem Titel aufgewertet. So war gerade wieder in der Presselandschaft zu lesen, dass die IRONMAN Europameister von Frankfurt und die IRONMAN Weltmeister von Hawaii lediglich Titelträger einer von einem Unternehmen ausgedachten und durchgeführten "Meisterschaft" sind. Da man damit Erfolg hat, macht so etwas Schule. World-Masters etwa, ist eine Bezeichnung, die gerade beim Trail Running aus der Taufe gehoben wurde. Für eine gewinnorientiert arbeitende Veranstaltungsagentur ist es in unserer schnelllebigen Zeit undenkbar, den langen Weg einzuschlagen, das Trail Running in den Strukturen der Leichtathletikverbände zur Meisterschaftsfähigkeit zu entwickeln. Weitere Meister ohne Verband werden sicher gerade in den Köpfen von Eventprofis an Gestalt gewinnen.

Ich will mich mit Jorge Luis Borges beruhigen: "Wenn ich noch einmal leben könnte … ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin, ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen."

Walter Wagner

Jetzt auf der Mainlaufcup-Homepage:

Klarheit im „Fall“ Martina Kurz

Die Stadt Frankfurt als Veranstalter der regionalen Laufserie Rosbacher Main-Lauf-Cup (MLC) hat vor einigen Tagen Planungssicherheit im Fall der transsexuellen Läuferin Martina Kurz vom TV Seulberg geschaffen. Bei dem klärenden Gespräch waren neben der betroffenen Läuferin, um deren Aufnahme in die MLC-Ergebnislisten es in den zurückliegenden Monate immer wieder Irritationen gegeben hatte, Gerhard Timmermann (Rodenbach/stellvertretender Volks- und Straßenlaufwart des Hessischen Leichtathletik Verbandes), der Diplom-Sozialpädagoge Detlef Saemann (Frankfurt) sowie Inga Hildebrandt und Markus Oerter (Sportamt Frankfurt) zugegen. Schriftlich fixiert und akzeptiert von allen Anwesenden wurden folgende Punkte:

Martina Kurz, die sich Anfang November 2008 hat operieren lassen und seitdem in regelmäßigen Abständen Hormonbehandlungen bekommt, ist medizinisch und juristisch eine Frau und wird dementsprechend in der Frauenwertung geführt.

- Der jeweilige Platz von Martina Kurz in der Gesamt- und Altersklassenwertung wird künftig „doppelt“ vergeben, das heißt, dass alle ihr nachfolgenden Läuferinnen automatisch um einen Rang nach vorne rücken.

- Alle bisherigen MLC-Wertungsläufe der Saison 2009 werden anhand dieser Regelung bis zur nächsten Veranstaltung am 6. September korrigiert.

- Mit der Vereinbarung wird Martina Kurz die ihr gebührende sportliche Anerkennung zuteil, andererseits erfahren jene Läuferinnen keine Nachteile, die eine körperliche Überlegenheit von Martina Kurz erkennen wollen.

- Martina Kurz hat sich bereit erklärt, auf Sach- und/oder Geldpreise, die sie im Rahmen des Main-Lauf-Cups gewinnt, zu verzichten. Eine Urkunde bekommt sie selbstverständlich überreicht.

Ziel der Vereinbarung ist es, etwaige Vorbehalte gegenüber Martina Kurz abzubauen, eine Ausgrenzung nachhaltig zu verhindern und den Toleranzgedanken zu fördern. In diesem Sinne bitten wir alle Main-Lauf-Cup-Sportler zu handeln.

Editorial 12. März 2009

Regeln sollten regeln und nicht gebrochen werden !

Schon sind wir wieder mitten drin in der neuen Laufsaison. Es gibt zwar Veranstaltungen, die sich als Saison-Eröffnung verstehen, doch wenn die demnächst stattfinden werden, dann haben fleißige Sammler schon viele Ergebnisse in ihrem persönlichen Laufkörbchen aufzuweisen. Nun ist die Bezeichnung, die Saison zu eröffnen, für diejenigen ein Schlag ins Gesicht, die einen früheren Termin haben. Es handelt sich um eine Minderheit, die sich vielleicht etwas beleidigt dazu äußert, sich ansonsten solcherlei Praxis aber nicht erwehrt. Nun, diesen Fauxpas haben wir für 2009 bald wieder überstanden. Denn in Kürze sind alle Varianten offizieller und inoffizieller Laufsaison-Eröffnungen über die Bühne gegangen.

 

Ambitionierte Läuferinnen und Läufer gönnen sich und ihrem Körper eine kurze aktive Winterpause. Dass aus "Trimm-Dich"-Zeiten herrührende Verhalten, den Winter am warmen Herd zu verbringen und erst mit den wieder wärmenden Sonnenstrahlen dem Winterspeck mit etwas Bewegung zu begegnen, ist längst aus der Mode. Neu ist - oder zumindest verstärkt - allerlei exotische Leistungen mit dem Prädikat "Rekord" zu feiern. Kann man auf einer der anerkannten Wettkampfstrecken nicht punkten, sucht man sich eine besondere Strecke, läuft quer, rückwärts oder auf den Händen, auf einem Laufband, in der Vertikalen oder durch hüfttiefen Schlamm und findet sich hinterher als Weltmeister oder Weltrekordler in den Medien wieder. Das ist mitunter nur verwegen oder soll spaßig sein, führt aber in die Irre, wenn für die meisten Sportbegeisterten, der Eindruck entstehen muss, es handele sich in bestimmten Fällen tatsächlich um Titelgewinner.

Erwischt. Die kurze Kaffeepause bei frostiger LaufReport Arbeit wurde vom Altmeister und Spezialisten für seltene Schnappschüsse Gustav Schröder in Trier aufgenommen.

Copyright © Rhein-Ruhr-Foto:
Gustav E. Schröder

Es freut mich daher für die Bergläufer besonders, dass diese endlich den Weg aus dieser Misere fanden und vom internationalen Leichtathletikverband anerkannte Meisterschaften ausrichten dürfen. Derweil werden noch Challenge- oder Trophy-Sieger fälschlich als Weltmeister bezeichnet, wie etwa auf allen Ultralangstrecken auch.

Es gibt für Leichtathletikdisziplinen genaueste Regeln. Bearbeitet von der Arbeitsgemeinschaft der Regelkommissionen von DLV, ÖLV und SLV hat das Regelwerk einen Umfang von 128 Seiten. Darin sind Vorschriften für Titelvergaben und dazu anerkannte Disziplinen. Dort sind auch Vorschriften für die Durchführung von Laufwettbewerben außerhalb des Stadions, die unmissverständlich verfasst sind. Denn mögen die falschen Titelträger und falsch zugeordnete Attribute als "Werbemaßnahme" noch toleriert werden, ist nicht hinzunehmen, dass bei Veranstaltungen nach eigenem Ermessen Sieger und Platzierte ermittelt werden.

Es liegt auf der Hand, dass die Massenveranstaltungen eine Problematik aufwerfen. Bisher gibt es noch kein Verfahren, dass dort allen Teilnehmern gerecht wird. Die Nettolaufzeit gleicht am Start erlittene Zeitverluste aus und entspannt die Startaufstellung. Vorgeschrieben ist die Listung nach der Zieleinlauffolge. Also, Zeitnahmebeginn für ALLE mit dem Startschuss. Für die Spitze und die Vergabe der Podestplätze seit je her Usus und eindeutig für dieses Klientel überwiegen hier auch die Vorteile dieses Verfahrens.

Die technische Möglichkeit der Nettozeitnahme bringt für die Zeitmess-Service Dienstleister, die ein solches Verfahren anbieten können, zweifellos Wettbewerbsvorteile. So werden in verstärktem Maße die Ergebnisse nach Nettozeiten gelistet. Eine Einheitlichkeit ist also derzeit schon nicht mehr gegeben. Bei allem Für und Wider, der Zustand, dass man erst im Ziel erfährt, wie wird denn heute und hier gelistet, der ist absolut unakzeptabel. Ich fordere die Veranstalter auf, zu einem für alle erkennbaren Verfahren zurückzufinden. Zunächst spielt dabei keine Rolle, ob Netto- oder Bruttozeit. Übergreifend gleich, muss die Festlegung der Ränge erfolgen. Der Verband genehmigt derzeit auch Veranstaltungen, die sich seinem Regelwerk nicht unterwerfen. Ein unausgesprochenes Stillschweigeabkommen – vielleicht.

Denn nicht zu übersehen ist, dass durch das Bruttozeitverfahren die Mehrheit teils nicht unerheblich benachteiligt wird. Bei den wenigen Spitzenläufern beträgt die Abweichung sowieso maximal nur wenigen Sekunden. Jedoch wird ein Spurt zur Farce und selbst mit dem Feiern des Siegers sollte man vorsichtig sein, es könnte ja ein Nettozeit-Schnellerer gleich im Ziel eintreffen. Bei allen Ungereimtheiten muss eine Entscheidung herbeigeführt werden. Gilt die Internationale Wettkampfregel, muss diese eingehalten werden. Eventuell wird damit erforderlich, die Teilnehmer wie früher aufwendig und rigide nach ihren Vorleistungen in Startblocks zu sortieren. Ist dies nicht zumutbar, muss das Regelwerk an die moderne und derzeitigen Bedürfnisse angepasst werden. Man kann bereits in den Schülerklassen dann taktische Varianten einüben, etwa von hinten starten, schnell auf die Spitze aufschließen und festbeißen. Das Spurten überlässt man dann gelassen den anderen.

Zum allgemeinen Verständnis, Auszüge der betreffenden Bestimmungen der noch gültigen Internationalen Wettkampfbestimmungen:

Regel 165 Zeitmessung und Zielbild

1. Drei alternative Methoden zur Zeitmessung sind offiziell anerkannt:

  1. Handzeitnahme,
  2. vollautomatische Zeitmessung, erhältlich von einem Zielbildsystem,
  3. Zeitmessung, geliefert von einem Transponder-Zeitmesssystem für Wettkämpfe gemäß Regel 230 (Läufe, die nicht vollständig in
    einer Leichtathletikanlage stattfinden).

10. Bei allen Läufen auf der Laufbahn mit Handzeitnahme müssen die Zeiten auf die nächsthöhere 1/10 Sekunde abgelesenen und registriert werden. Bei Wettbewerben, die teilweise oder ganz außerhalb der Leichtathletikanlage stattfinden, müssen die Zeiten in die nächsthöhere volle Sekunde umgewandelt und registriert werden, so sind beim Marathonlauf 2:09:44,3 h mit 2:09:45 Std. zu registrieren. Bleibt der Zeiger der Uhr zwischen zwei Zeitmarkierungen stehen, muss die längere Zeit angenommen werden. Wird eine Uhr, die 1/100 Sekunden anzeigt oder wird ein elektronischer, manuell bedienbarer digitaler Zeitmesser benutzt, bei dem die erzielte Zeit nicht mit Null an der zweiten Dezimalstelle endet, muss diese zur nächsthöheren 1/10 Sekunde abgelesen und registriert werden, so sind 10,11 mit 10,2 zu registrieren.

15. Ein System, das weder beim Start noch beim Zieleinlauf automatisch arbeitet und auch nicht bei beiden, sind die Zeiten weder Handzeiten noch vollautomatisch gemessene Zeiten und sind somit keine offiziellen Zeiten. In so einem Fall werden die vom Bild abgelesenen Zeiten unter keinen Umständen als offizielle Zeiten berücksichtigt. Das Bild kann aber als zulässige Unterstützung für die Feststellung der Platzierungen und der Zeitabstände zwischen den Läufern benutzt werden.

24. Der Einsatz von Transponder-Zeitmesssystemen bei Wettbewerben nach Regel 230 (die nicht vollständig in einer Leichtathletikanlage stattfinden), 240 und 250 ist erlaubt, vorausgesetzt, sie sind von der IAAF zugelassenen und

  1. am Start kein Gerät benutzt und entlang der Strecke oder an der Ziellinie eingesetzt wird, das für den Wettkämpfer ein wesentliches Hindernis ist oder dessen Fortbewegung behindert,
  2. das Gewicht des Transponders, das in einem Gehäuse auf dem Trikot, der Startnummer oder dem Schuh des Wettkämpfers getragen wird, nicht beträchtlich ist,
  3. das System durch den Startrevolver oder ein anerkanntes Startgerät in Gang gesetzt wird,
  4. das System während des Wettkampfs nicht eine Tätigkeit des Wettkämpfers erfordert, weder an der Ziellinie noch beim Zieldurchlauf, die mit der Ergebniserfassung im Zusammenhang steht,
  5. die zeitliche Auflösung 0,1 Sekunden beträgt (d. h., Wettkämpfer, die mit einem zeitlichen Abstand von 0,1 Sekunden ins Ziel kommen, lassen sich noch getrennt erfassen). Alle abgelesenen Zeiten, die nicht mit Null enden, müssen in die nächsthöhere volle Sekunde aufgerundet und so registriert werden; z. B.: beim Marathon sind 2:09:44,3 Stunden mit 2:09:45 Stunden zu registrieren.
    Anmerkung: Die offizielle Zeit ist die Zeit, die zwischen dem Startschuss aus dem Startrevolver und dem Erreichen der Ziellinie durch den Wettkämpfer vergangen ist (Bruttozeit). Die Zeit, die vom Überqueren der Startlinie bis zum Erreichen der Ziellinie durch den Wettkämpfer vergangen ist (Nettozeit), kann diesen bekannt gegeben werden, wird aber nicht als offizielle Zeit angesehen.
  6. die Bestimmungen in Regel 164.2 und 165.3 können bei der Ermittlung der offiziellen Einlaufreihenfolge und der Zeiten berücksichtigt werden, wo dies möglich ist.

Regel 164 Das Ziel
2. Die Wettkämpfer müssen in der Reihenfolge platziert werden, in der sie mit irgendeinem Teil ihres Körpers (d. h., mit dem Rumpf im Unterschied zu Kopf, Hals, Armen, Beinen, Händen oder Füßen) die senkrechte Ebene über dem startnäheren Rand der Ziellinie erreichen.

Regel 165 Zeitmessung und Zielbild
3. Die Zeiten aller im Ziel ankommenden Wettkämpfer müssen registriert werden. Zusätzlich müssen bei Läufen von 800 m und länger die Rundenzeiten und bei Läufen von 3 000 m und länger die 1 000 m-Zeiten registriert werden, wo immer dies auch möglich ist.

Erläuterung: Die Runden- bzw. Zwischenzeiten sind jeweils nur für den Führenden festzustellen und durch Hinzufügen seiner Startnummer in das Wettkampfprotokoll einzutragen. Dies gilt auch bei vollautomatischer Zeitmessung.
Anmerkung: Es wird empfohlen Kampfrichter zu berufen und/oder Videorekorder einzusetzen, um die Einlaufreihenfolge zu unterstützen.

Nationale Bestimmungen DLV + ÖLV

  1. Bei allen Laufveranstaltungen, bei denen die Laufleistungen mit einem Transponder-Zeitmesssystem erfasst werden, sind in den Ergebnislisten die Brutto- und Nettozeiten aufzuführen.
  2. Die Platzierungen und die Siegerehrungen richten sich ausschließlich nach den Bruttozeiten.
  3. Die Statistiker können die festgestellten Nettozeiten in die Bestenlisten mit aufnehmen (Einzel- und Mannschaftsergebnisse).
    Nationale Bestimmung SLV siehe Anhang 3.1, Ziff. 10.1 WO.

Walter Wagner

Zu älteren Editorials klick HIER